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Foto: (c) Studiocanal GmbH Filmverleih  

Dickes Fell, großes Herz

Pünktlich zu seinem 20. Geburtstag darf das berühmteste Knetschaf aller Zeiten endlich sein erstes großes Kino-Abenteuer erleben: 1995 tauchte das clevere Wollknäuel Shaun zum ersten Mal als Nebenfigur im später oscarprämierten Kurzfilm “Wallace & Gromit – unter Schafen” auf. Bis 2007 sollte es dann dauern, bis Shaun, gemeinsam mit dem leicht vertrottelten Hütehund Bitzer, dem unverständliche Grummellaute von sich gebenden Farmer und seiner herzigen Herde als Fernsehserie auf die Mattscheibe zurückkehrte. Nun lassen Serienerfinder Richard Starzack und Komödienexperte Mark Burton die bei einem Millionenpublikum beliebten Knetfiguren ihr erstes Kinoabenteuer erleben: Über den universell verständlichen Humor in “Shaun das Schaf – der Film” kann der kleine Knirps ebenso lachen kann wie die gestressten Eltern und der betagte Großpapa – und dafür braucht es nicht einmal Worte.

Gleich zu Beginn des Kinofilms wird Fans jeglichen Alters vor Freude das Herz übergehen: In Super-8-Ästhetik sieht man eine Rückblende in die Kindertage von Shaun und Bitzer, die von ihrem Farmer liebevoll umsorgt wurden. Damit führt der Film bereits das Grundthema des Films ein: Es geht darum, dass man das, was man hat – nämlich wie Shaun und Konsorten ein liebevolles, sicheres Zuhause – erst zu schätzen weiß, wenn man es zu verlieren droht.

Doch zunächst haben Shaun und seine Herde die Schnäuzchen voll vom immergleichen Alltagstrott auf der Farm. Also stellen sie den Farmer ruhig und lenken Bitzer ab, um endlich mal einen Tag frei zu haben. Doch die Sache geht fürchterlich schief, der Wohnwagen samt schnarchendem Farmer rast ungebremst der “Big City” entgegen, und Shaun macht sich auf die Suche nach ihrem “Herrchen”. Der hat aber leider inzwischen sein Gedächtnis verloren und ist durch die sozialen Medien, die hier auf köstlich-satirische Weise ihr Fett wegbekommen, zum Starfriseur Mr. X avanciert, indem er seinen Kunden die gleiche dämliche Frisur verpasst wie seinen Schafen.
Doch Shaun und seine Freunde, die ihm in die – detailreich gestaltete – Stadt gefolgt sind, haben sich noch mit ganz anderen Gefahren, wie etwa einem hundsgemeinen Tierfänger herumzuschlagen. Deshalb sehen sie sich gezwungen, sich als Menschen zu verkleiden, was zu einer köstlichen Restaurantszene führt, bei der kein Auge trocken bleibt. Bitzer landet unterdessen als Chef-Chirurg im OP, wo ihm der Anblick von begehrenswerten menschlichen Skelettknochen zum Verhängnis wird. Im düsteren Tierheim, wo grässliche Kreaturen wie eine an Hannibal Lecter erinnernde Katze und ein reglos vor sich hinstarrender Hund hausen, treffen Shaun und Bitzer letztlich wieder aufeinander.

Obwohl der Film vor Ideen, Slapstickszenen, britischem Charme und Humor nur so sprüht, beweisen die Claymotion-Profis (Animation mit Knetgummi nach dem Stopptrick-Verfahren) auch über die gesamte Spielfilmlänge von 85 Minuten ihr grandioses Gefühl für Timing. Das heißt: Es wird niemals so hektisch, dass anwesende Kinder von dem Film überfordert wären. Seine Allgemeingültigkeit verdankt der Film dabei auch seinem äußerst gelungenen Musikeinsatz. Bestes Beispiel dafür ist das A-cappella-Lied, das Shaun und seine wollenen Freunde gegen Ende sehnsuchtsvoll anstimmen. Hier zeigen die Macher einmal mehr, wie man tiefe Gefühle, die auf der ganzen Welt verstanden werden, auch ohne Worte und ohne die für den Ausdruck von Schafsemotionen eigentlich so wichtigen Augenbrauen auf die Leinwand bannen kann.

msn / März 2015