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Bitte mal das Licht anknipsen!
Wachsende Existenzängste: Das Filmdrama „Wo ist Kyra?“ erzählt von einer arbeitslosen Frau.
In dieser Kinosaison gibt es einige interessante Filme, die endlich einmal die häufig verklärte Stadt New York ungeschönt zeigen. Sowohl in dem kürzlich in den Kinos gelaufenen Biopic »Can you ever forgive me?« als auch in »Greta« und nun auch in »Wo ist Kyra?« stehen alleinstehende ältere Frauen im Mittelpunkt, die aufgrund ihrer Isoliertheit oder ihrer Mittellosigkeit gezwungen sind, eine beachtliche kriminelle Energie zu entwickeln.
In Andrew Donsunmus Filmdrama »Wo ist Kyra?« wird die seit einiger Zeit geschiedene, arbeitslose Kyra von der dreifach oscarnominierten Michelle Pfeiffer verkörpert. Im letzten Jahr feierte die ausdrucksstarke Schauspielerin, die mittlerweile 61 ist, ein Comeback.
Der oscarnominierte Kameramann Bradford Young, der schon den Science-Fiction-Film »Arrival« (USA 2016) zu einem immersiven Seherlebnis machte, sucht auch in diesem recht dialogarmen Drama nach einer außergewöhnlichen Bildsprache,um dem Zuschauer das bittere Schicksal einer verarmten, älteren Frau in New York nahezubringen. Dies gelingt ihm jedoch nur bedingt.
Der ganze Film ist in düstere Halbschatten getaucht, was ihm mehr Glaubwürdigkeit verleihen soll, letztlich aber zu einem anstrengenden Seherlebnis führt. Zudem wird die unscheinbare Kyra nur selten in der Nahaufnahme gezeigt, sondern ist sogar häufig nur undeutlich in der Totalen oder Halbtotalen zu erkennen. Diese Regieentscheidungen führen dazu, dass man über die gesamte Filmspanne nicht so viel Sympathie und Solidarität mit ihr empfindet, wie es eigentlich menschlich wäre. Der dissonante, artifiziell wirkende Score von Philip Miller, der Spannung erzeugen soll, wo eher Mitgefühl angebracht wäre, macht die Sache leider auch nicht besser.
Die recht simple Geschichte ist rasch erzählt: Zu Beginn lebt Kyra mit ihrer pflegebedürftigen Mutter in einer bescheidenen Wohnung in Brooklyn. Sie pflegt sie hingebungsvoll, zwischendurch bewirbt sie sich immer wieder um einen Job als Buchhalterin, was sich angesichts ihres Alters äußerst schwierig gestaltet. Selbst als Kyra später auf irgendwelche Billigjobs umschwenkt, muss sie die bittere Erfahrung machen, dass stets hübsche, junge Frauen bevorzugt werden. Als ihre Mutter plötzlich stirbt und sie versehentlich die falsche Sozialversicherungsnummer auf ihrem Totenschein einträgt, kommt sie in arge, finanzielle Bedrängnis. Die Änderung des Dokuments ist recht kostspielig und dauert einige Wochen – während Kyra einen Haufen Rechnungen zu begleichen hat. Also beschließt sie in ihrer Verzweiflung, sich als ihre tote Mutter zu verkleiden, um die immer noch wöchentlich eintrudelnden Rentenschecks „persönlich“ einzulösen und wenigstens die Miete begleichen zu können. Ihr Nachbar und Liebhaber Doug (Kiefer Sutherland), der sich selbst mit zwei schlecht bezahlten Jobs über Wasser hält, ist zunächst entsetzt, als er von ihren betrügerischen Machenschaften erfährt, wird aber letztlich auch noch darin verwickelt.
Unterm Strich gelingt es Dosunmu, seinem sensiblen Kameramann und seiner hypnotisch performenden Hauptdarstellerin trotz aller Schwächen des Dramas ihr titelgebendes Anliegen deutlich zu machen – zu zeigen, wie eine Persönlichkeit hinter überbordenden Existenzängsten völlig verschwinden kann.
Dieser unerbittlich trostlose Film ist sicherlich kein Armutsporno, den man schnell wieder vergißt. Dennoch wünscht man sich beim Anschauen hin und wieder heimlich, jemand würde mal kurz das Licht anknipsen.