Foto (c) Universal Pictures/Everett
Szenen aus dem Leben des iGod
Danny Boyle versucht sich in seinem kammerspielartigen Biopic „Steve Jobs“ einem überlebensgroßen Mythos zu nähern. Ein schwieriges Unterfangen …
Sorkin startet mit seinem zugrundeliegenden, dialoglastigen Skript erst gar nicht den Versuch, das komplette Leben der Ikone in 122 Minuten abzuarbeiten. Er beschränkt sich auf drei wichtige Ereignisse im Leben des iGod, die mit bahnbrechenden Produktpräsentationen zusammenhängen: die Vorstellung des Macintosh im Jahre 1984, vier Jahre später die des Cube von Jobs Konkurrenzfirma NeXT und zu guter Letzt die Präsentation des iMac im Jahre 1998. Der in dieser Hinsicht wagemutige, doch für Nicht-Apple-Jünger nicht einfach zu verstehende Film spielt also fast nur auf und hinter Bühnen.
Alwin Küchler und sein Kamerateam sind dabei wie der rastlose Jobs ständig in Bewegung. Darin weist der kammerspielartige Film eine gewisse Ähnlichkeit mit dem entfesselten „Birdman“ auf. Der sich der Vorlage erstaunlich unterordnende Boyle unterstreicht zudem die Zeitsprünge der drei in Realzeit spielenden Akte, indem er die erste Präsentation auf improvisiert wirkendem 16-Millimeter-Filmmaterial drehen ließ, die zweite bereits auf gediegeneren 35 Millimetern und die dritte in hochmodernem HD.
Der Zuschauer lernt Jobs gleich zu Beginn als perfektionistischen Kotzbrocken kennen, der seinen genialen Programmierer Andy Hertzfeld (Michael Stuhlbarg) zusammenstaucht. Und das nur, weil kurz vor der Präsentation deutlich wird, dass die Funktion, den Macintosh „Hallo“ sagen zu lassen, womöglich ausfällt. Backstage wartet auch noch seine von Sozialhilfe lebende Ex-Freundin Chrisann (Katherine Waterson) mit der fünfjährigen Lisa. Doch der kontrollsüchtige Millionär will trotz nachgewiesener Vaterschaft einfach nicht wahrhaben, dass sie seine Tochter ist.
Seine Marketingchefin Joana Hoffmann (beeindruckend verkörpert von Oscar-Preisträgerin Kate Winslet) versucht den Wüterich in jeder Hinsicht in Schach zu halten. Auch Steve Wozniak (Seth Rogen), mit dem er einst in einer Garage den Grundstein seines Imperiums legte, zeigt sich zusehends frustriert über seinen hybriden Kumpel. Jobs selbst besitzt nur bescheidene Fachkenntnisse und weigert sich dennoch, das Team, dass Apple zu Weltruhm verholfen hat, öffentlich zu würdigen. Vier Jahre später hat der von Adoptivkind Jobs eigentlich wie eine Vaterfigur bewunderte und von Pepsi abgeworbene CEO John Scully (Jeff Daniels) das egomanische Genie bereits gefeuert. Die nächste Präsentation steht ins Haus und Jobs will sich mit seinem Konkurrenzprodukt beweisen, dem NeXT-Computer. Die bis zum Äußersten loyale PR-Managerin Joana kämpft immer noch an seiner Seite. Doch hinter der Bühne treibt sich auch wieder seine intelligente Tochter herum, die dieses Ereignis auf keinen Fall verpassen will.
Lisas Auftritte scheinen die Funktion zu haben, Steve Jobs ein wenig menschliches Antlitz zu verleihen. Dennoch wirkt dieser Subplot der verkorksten Vater-Tochter-Beziehung sehr bemüht. Besonders im dritten Akt – Jobs wurde inzwischen wieder vom schwächelnden Apple-Imperium zurückgeholt und Scully gefeuert – kommt es zu einer Schlüsselszene zwischen der 19-jährigen Lisa und ihrem Vater, die dem Zuschauer unangenehmerweise nahelegen zu scheint, einem derart visionären Genie könne man alles verzeihen.
So hinterlässt der Film, der sicher mehr an der Oberfläche kratzt als beispielsweise „Jobs“ mit Ashton Kutcher in der Hauptrolle, dennoch den einlullenden Nachgeschmack einer von Jobs perfekt inszenierten Produktpräsentation. Seinen i-Jüngern wird das Biopic folglich bedenkenlos gefallen. Entscheidend näher gekommen ist man dem Menschen, der den Computer für jedermann ersann, trotz herausragender Schauspielerleistungen jedoch nicht. Selbst aus dem Grab heraus scheint die Popikone Jobs, wie er einmal zu Wozniak sagte, immer noch der Dirigent zu sein, der das Orchester „spielt“.
Stimme / Nov. 2015