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Sex, Lügen und Bezahlfernsehen
Steven Soderbergh beeindruckt das Publikum mit einem grandiosen Biopic über den schillernden Wunderpianisten Liberace.
Es ist kaum zu glauben, dass sämtliche Bosse der Hollywood-Glitzerindustrie einem renommierten Regisseur wie Steven Soderbergh („Ocean’s Eleven“, „Sex, Lügen und Video“) die Studiotüren vor der Nase zuschlugen, als er mit zwei Weltklasse-Schauspielern im Gepäck mit der Absicht an sie herantrat, ein vielschichtiges, visuell bombastisches Liebesdrama, das sich um den erfolgreichen Entertainer Liberace dreht, zu verfilmen. Die Begründung der ängstlichen Traumfabrikanten lautete schlichtweg: „zu schwul“. Daraufhin griff der Bezahlfernsehsender HBO mit Freuden zu. VOX zeigt jetzt die Free-TV Premiere von „Liberace – Zuviel des Guten ist wundervoll“, inklusive verschwitzter Liebesspiele zwischen Michael Douglas, der nach seiner Krebserkrankung als gelifteter Paradiesvogel die Darbietung seines Lebens ablieferte, und seinem „Toyboy“ Matt Damon.
Ein glitzernder Flügel, darauf ein riesiger Kandelaber, davor Wladziu Valentino Liberace in einem Kostüm, das selbst Elvis wie einen Amateur aussehen lässt – so führt Soderbergh, der unter Pseudonym wieder für die subtile Kameraarbeit und den Schnitt die Verantwortung übernahm, die mit Weltstar Michael Douglas kongenial besetzte Figur ein. Die Scheinwerfer richten sich auf ein sichtlich entflammtes Publikum aus dem Jahre 1979, das nicht wahrhaben will, dass ihr schillernder Bühnenliebling ganz offensichtlich homosexuell ist. Backstage wird der Pianist nach der fulminanten Show dem naiven Scott Thorson (Matt Damon) vorgestellt, der übrigens mit seiner Biografie die Grundlage für dieses genresprengende Biopic lieferte. Die beiden im Grunde zutiefst einsamen Menschen scheinen wie bezaubert voneinander, und schon bald zieht der blutjunge Waisenjunge Scott als Assistent, Liebhaber und Sohnersatz in Liberace pompös-kitschige Villa, die sich jedoch mehr und mehr als goldener Käfig erweist.
Das gewaltige Ego des väterlichen, zur Sentimentalität neigenden Liebhabers Liberace prallt auf die Seele eines blutjungen Mannes, der sich nach Geborgenheit und Liebe sehnt. Fassungslos wird man Zeuge, wie Liberace nach einer Schönheits-OP von ihm einfordert, sich ebenfalls unter das Messer zu legen, um einer jüngeren Version von Liberace selbst angeglichen zu werden. Rob Lowe („Wayne’s World“) darf hier übrigens als vom Liften entstellter Schönheitschirurg brillieren.
Die zu Beginn rabenschwarze Komödie, die trotz all ihrer satirischen Momente nie ihre Protagonisten verrät, geht allmählich in ein mitreißendes Liebesdrama über, das noch lange in den Köpfen aufgeschlossener Zuschauer nachhallen wird. Bei den Emmy-Awards 2013 räumte „Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll“ übrigens elf Preise ab – unter anderem für Soderberghs Regie und Michael Douglas‘ Performance. Ob sich die feigen Filmstudiobosse wohl sehr darüber ärgerten?
Matt Damon will es demnächst übrigens als Jason Bourne einmal wieder so richtig krachen lassen. Nach fast zehn Jahren Pause kehrt der Agent in die Kinos zurück. Der nächste Teil der Bourne-Reihe soll am 11. August 2016 in Deutschland starten.
Nordbuzz / Feb. 2016