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Foto: (c) Neue Visionen Filmverleih

Beste Freundinnen

Die Tragikkomödie „Im Himmel trägt man hohe Schuhe“ weiß aufgrund eines nicht zu konventionellen Drehbuchs und der Chemie zwischen den beiden hervorragenden Hauptdarstellerinnen zu überzeugen.

„Umgehen wir den Freak-Look“ sagt die bodenständige Perückenmacherin zu der krebskranken Enddreißigerin, der aufgrund der Chemotherapie die Haare auszufallen beginnen. Kurzerhand rasiert sie ihr auch noch die restliche blonde Mähne ab. Schließlich hat Milly (Toni Collette) bereits mit ihrer besten Freundin Jess (Drew Barrymore) eine Perücke aus einem alten Scorsese-Film gefunden, die der wilden Schönheit ganz gut steht. Nein, reines, vor sich hin plätscherndes Wohlfühlkino ist der Film mit dem unpassenden deutschen Verleihtitel „Im Himmel trägt man hohe Schuhe“ der amerikanischen Regisseurin Catherine Hardwicke („Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen“) wirklich nicht. Dennoch fühlt man sich nach einem Film ohne Happy End selten so wohl. Dies verdankt die Tragikkomödie vor allem ihren überzeugenden Hauptdarstellerinnen, aber auch dem Drehbuch der Britin Marwenna Banks, das neue Krebsdramen-Pfade betritt.

Zwischen Millie und Jess war es Freundschaft auf den ersten Blick. Seit Jess mit ihrem süßen amerikanischen Akzent Millies Klasse betrat, war es um die beiden geschehen. Seither teilten die besten Freundinnen nicht nur ihre Liebe zu Jane Austens „Sturmhöhe“, sondern auch all ihre Geheimnisse und sogar den ersten Kuss. Im Grunde haben sich die beiden Enddreißigerinnen seit damals wenig verändert: Die beruflich erfolgreiche Millie ist immer noch wild und extrovertiert, wenngleich sie mit ihrem gezähmten Rowdie Kit (Dominic Cooper) ein recht konventionelles Familienleben führt. Die besonnene Jess arbeitet dagegen in einem kommunalen Gemeinschaftsprojekt und lebt mit ihrem ein wenig zu fürsorglichen Mann Jago (Paddy Considine) glücklich auf einem Hausboot. Einziger Wermutstropfen: Ihr lang gehegter Kinderwunsch hat sich noch nicht erfüllt.

Als bei Millie Krebs diagnostiziert wird, erfährt Jess davon natürlich zuerst. Gemeinsam – und mit viel köstlichem Galgenhumor – gehen die Freundinnen durch die Chemohölle, wobei die endlich schwangere Jess ihr eigenes Leben zu vernachlässigen beginnt. Sie bringt aus Taktgefühl noch nicht einmal den Mut auf, ihrer todunglücklichen Freundin zu erzählen, dass sie eigentlich gerade im siebten Babyhimmel schwebt. Auch Millies bislang wenig fürsorgliche Schauspieler-Mutter Miranda, eine interessante Figur, die ebenfalls sehr überzeugend von Jacqueline Bisset verkörpert wird, bemüht sich ihrer auf sich und ihr schweres Schicksal fixierten Tochter beizustehen, findet aber kaum den richtigen Ton.

Als der eitlen Millie schließlich auch noch die Brüste abgenommen werden müssen, zerbricht vollends etwas in der lebenslustigen Frau. Sie kann sich nicht mehr vorstellen, dass sich fortan noch irgendwer für sie interessiert. Wenn sie in die Salatschüssel kotzt, einem Barkeeper ein letztes Mal ihre Brüste zeigt oder später ihrer besten Freundin ihre OP-Narben, dann sind das von Hardwickes Stammkameramann Elliot Davis glaubhaft ins Bild gesetzte Szenen, die wirklich nahe gehen. In den üblichen Hollywood-Krebsdramen hat man derlei bislang selten gesehen.

Auch die Entfremdung Millies von ihrem Traum-Ehemann, der seine Frau nicht mehr richtig zu nehmen weiß, wird dem Zuschauer ohne große Worte nahegebracht. Doch ein zunächst spontan wirkender gemeinsamer Road-Trip der beiden Freundinnen zu ihrem gemeinsamen Sehnsuchtsort, den „Sturmhöhen“ in den schottischen Mooren, bei dem Jess Millie auch endlich von ihrer Schwangerschaft erzählen will, führt zu einem schrecklichen Zerwürfnis der Freundinnen. Wird ihre Freundschaft auch dieses letzte große Tief überstehen?

Stimme / März 2016