Foto (c) Universal Pictures
Frau Trump auf Abwegen
Sie ist eine der reichsten Frauen Amerikas, eine Selfmade-Millionärin, ein Rockstar der Finanzwelt, eine Art weiblicher Donald Trump: Melissa McCarthy spielt in ihrer neuesten Komödie “The Boss” die dreiste, gerissene Geschäftsfrau Michelle Darnell. Die Komödie ist nach “Tammy – voll abgefahren” (2014) die zweite Zusammenarbeit von McCarthy und Ehemann und Regisseur Ben Falcone. Die beiden zeichnen mit Steve Mallory zudem für das Drehbuch verantwortlich. Ein eingespieltes Team, lernten sie sich doch vor 15 Jahren bei der Improvisations-Theatertruppe “The Groundling” kennen, zu der auch spätere Stars wie Jack Black, Will Ferrell und Kristen Wiig gehörten.
Auch die großes Gag-Potenzial in sich bergende Figur der Michelle Darnell wurde in dieser Comedy-Schmiede aus dem Boden gestampft. Doch um über eine ganze Filmlänge von ihr erzählen zu können, benötigt es noch ein paar neu erdachter Ansätze: So wuchs die Großunternehmerin laut Prolog in einem kirchlichen Waisenhaus auf. Die Pflegefamilien, die sie eigentlich aufnehmen wollten, brachten sie in schönster Regelmäßigkeit schleunigst wieder zurück. Damals schwor Michelle sich, in Zukunft allein klarzukommen und es zudem zu unermesslichen Reichtum und Einfluss zu bringen.
Dies gelang ihr auch – ganze Stadien füllt die rücksichtslose Lady mittlerweile mit ihren Riesen-Shows, in denen es um die Geheimnisse des Geldscheffelns geht. Doch aufgrund ihres ärgsten Widersachers, Ex-Liebhaber Renault (Peter Dinklage), mit dem sie immer noch eine Art Hassliebe verbindet, wird sie des Insider-Handels überführt. In vielen dieser ersten Szenen blitzt jener derb-komische Humor auf, der Ausnahmetalent Melissa McCarthy für ihre Nebenrolle in “Brautalarm” (2011) von Paul Feig eine Oscarnominierung einbrachte und sie blitzartig ins Licht der Öffentlichkeit katapultierte.
Doch leider knüpft der Film im folgenden nicht konsequent an McCarthys Comedy-Stärken an. Zudem wirken sämtliche Figuren unausgereift, sodass man ihre Wandlungen nicht nachvollziehen kann und mag. Nebenhandlungsstränge, wie Michelles widersprüchliche Beziehung zu ihrer Ex-Mentorin Ida (Kathy Bates) wirken deshalb unangenehm angestrengt und überflüssig. Auch “Game Of Thrones”-Darsteller Peter Dinklage bemüht sich redlich, die Rolle des abgelegten Geliebten zu füllen. Doch da das Skript leider mit heißer Nadel gestrickt zu sein scheint, ist auch seine Figur allzu flach gezeichnet.
Als die stolze und ungebrochen auftretende Michelle, die in ihrem Aussehen an eine Mischung aus “Denver-Clan”-Intrigantin Joan Collins und Hillary Clinton erinnert, ein halbes Jahr später das Gefängnis verlässt, hat sie nichts mehr: kein Geld, kein Haus, keine Freunde. In dieser Situation wendet sie sich an ihre einst treu ergebene Assistentin Claire (Kristen Bell), eine alleinerziehende Mutter, die von Michelle böse gemobbt wurde. Zähneknirschend lässt die moralisch integre Claire ihre Ex-Chefin auf Drängen von Tochter Rachel (Ella Anderson) bei sich einziehen. Zunächst will Michelle sich an die Spitze ihrer alten Firma zurückkämpfen, doch auf einer Pfadfinder-Veranstaltung mit Rachel kommt ihr schließlich die zündende Idee: Sie will mit Hilfe von Claires selbstgebackenen Küchlein und den fleißigen Pfadfinderinnen ein Brownie-Imperium aufbauen.
“Wovon handelt dieser Film zum Teufel eigentlich?”, fragt man sich im weiteren Verlauf von “The Boss” immer wieder. Vor allem, wenn sich nach einigen brillant-komischen Szenen – wie etwa Michelles Datinghilfen für Claire – die Lachmuskeln wieder beruhigt haben. Am Ende steht die Erkenntnis: Ein paar zugegeben saukomische Sketche machen noch keine Komödie.
Radio Berg / April 2016