Foto: (c) 2015 Sony Pictures Releasing GmbH
Ohne rechten Biss
Als „Hotel Transsilvanien“ im Jahre 2012 in die Kinos kam, traf die animierte Horror-Comedy anscheinend genau den Nerv der Zeit – und wurde ein riesiger Erfolg. Das 3D-Sequel „Hotel Transsilvanien 2“ um die beliebten Figuren Graf Dracula, seine Tochter Mavis und ihren menschlichen Hipster-Lover Johnny ließ nicht allzu lang auf sich warten. In den USA und Kanada spielte die Fortsetzung bereits am ersten Wochenende fünf Millionen Dollar mehr ein als der erste Teil.
Teil zwei, der erneut vom vielversprechenden Animationsfilmtalent Genndy Tartakovsky inszeniert und von Adam Sandler mitgeschrieben wurde, schließt genau dort an, wo der Vorgänger endete: Nachdem Graf Dracula sich damit abgefunden hat, dass seine einzige Tochter unsterblich in einen dahergelaufenen Rucksacktouristen verliebt ist, besucht der Zuschauer auf den Schwingen einer gelungenen 3D-Kamerafahrt erneut das einzigartige Hotel und wird Zeuge von Mavis‘ und Jonathans Hochzeit. Recht bald kommt auch schon der rotgelockte Halbblut-Enkel Dennis zur Welt. Der nervig-liebevolle Großvater ist überzeugt davon, dass sich allem Anschein zum Trotz bei seinem Nachwuchs die Vampir-Gene durchgesetzt haben. Bis zum fünften Geburtstag des Kleinen kann der stolze Vampa (Vampiropa!) noch darauf hoffen, dass sich seine edle Blutlinie fortgesetzt hat. Spätestens dann jedoch sollten seinem stets frohgelaunten Enkel Blutsauger-Fangzähne gewachsen sein.
Graf Dracula hat zwar inzwischen seine Vorurteile über Menschen ein wenig abgelegt, und sein transsilvanisches Monsterhotel ist nun auch für diese sehr spezielle Gattung geöffnet. Dennoch steht für ihn außer Frage, dass sein Enkel unbedingt ein Vampir werden muss! Aber unter den Augen von Helikopter-Mom Mavis, die das Hotel sogar babysicher hat machen lassen, ist es nahezu unmöglich, dem männlichen Nachwuchs den richtigen Monstergeist einzuflößen. Ob die übervorsorglichen Eltern von heute oder Draculas stures Festhalten an dem Glauben an die Überlegenheit der eigenen Gattung, die bei seinem Vater Vlad (gesprochen im Original von Mel Brooks und in der deutschen Synchronisation von Dieter Hallervorden) wiederum in glattem Rassismus gipfelt – die Story hätte so viel Potenzial für einen wirklich anarchistisch-witzigen Film geboten. Tartakovsky und Sandler nutzen dieses aber nur sehr vereinzelt für tolle Gags und Slapstickeinlagen.
Gerade Opa Vlad, leider nur eine Randfigur, hätte dem Film etwas Unvergessliches verleihen können. Stattdessen findet man sich immer wieder in anrührend-langweiligen Familienszenen wieder, die ständig den Schwung aus der Geschichte nehmen und eine disneyeske Botschaft durchdrücken sollen: Dass es nämlich, wie Dracula es ausdrückt, doch letztlich egal sei, ob jemand Mensch, Vampir oder Einhorn ist – schließlich sei man perfekt, wie man ist. Doch bis der Graf diesen Spruch mit weiser Erkenntnis füllt, ist es noch ein weiter Weg: Zunächst muss er seine überfürsorgliche Tochter loswerden. Er heckt einen Plan aus. Als Verbündeten findet er Johnny, der sowieso genervt ist, weil seine Frau keine Zeit mehr mit ihm allein verbringt und der sich überdies im Gegensatz zu Mavis überhaupt nicht vorstellen kann, seinen Sohn bei seinen Eltern im langweiligen Kalifornien großzuziehen. Gemeinsam sollen die jungen Eltern dorthin reisen, um Mavis den Gedanken wieder austreiben, Dennis im Menschenreich großzuziehen.
In der Zwischenzeit will Vampa gemeinsam mit den beliebten Charakteren aus der ersten Teil – Frankenstein, der Mumie Murray, dem Unsichtbaren, dem schleimig-grünen Blobby sowie dem dauererschöpften Werwolf Wayne die gruseligsten Spukstätten ihrer Vergangenheit und ein altbewährtes Jungvampircamp abklappern. In einigen nur teilweise wirklich komischen Szenen müssen sie aber feststellen, dass sich die Welt (und auch die Monsterfreunde selbst) in den letzten Jahrhunderten gehörig gewandelt haben. Leider zünden auch in diesem Part der Geschichte die wohlgemeinten Gags häufig nicht richtig. So hätte die Animationskomödie „Hotel Transsilvanien 2“ zwar wieder das Potenzial gehabt, den Zeitgeist zu treffen – bleibt aber leider letzten Endes ohne rechten Biss.
Radio Bonn / Okt. 2015