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Von Herzog verweht
In „Die Königin der Wüste“, einer wilden Mischung aus romantischem Epos, Dokumentarfilm, Abenteuerdrama und Biopic, widmet sich der Regisseur Werner Herzog der Wüstenforscherin Gertrude Bell.
Nicole Kidman spielt Gertrude Bell, Historikerin, Archäologin, Fotografin und spätere Völkerverständigungs-Expertin. Eine Frau, die mit ihrem scharfen Intellekt und ihrer unbändigen Abenteuerlust gewiss nicht dem gängigen Frauenbild im Jahre 1893 entsprach. Der erste Teil des Films handelt dennoch erstaunlich lange davon, wie Gertrude, die der Vater auf ihren dringlichen Wunsch hin in die britische Botschaft nach Teheran verpflanzte, dort mit dem Botschaftssekretär anbändelt. Um es deutlich zu sagen: Den verliebten Backfisch nimmt man der 48 Jahre alten Kidman nun wirklich nicht mehr ab.
Ihre erste große Liebe Henry Cadogan wird dann auch vom immer irgendwie gleich dreinschauenden und medial überpräsenten James Franco verkörpert, dem man die Rolle des unwiderstehlichen Feingeists ebenfalls nicht wirklich abkauft. Da freut man sich als heimlicher Werner-Herzog-Sympathisant, wenn das frischgebackene Liebespaar sich in der Wüste vor einem aasfressenden Geier zum ersten Mal küssen muss. Endlich darf man das heruntergewürgte Lachen herauslassen. Denn diese verrückte Einstellung ist typisch für den bajuwarischen Regisseur.
Dennoch versanden solche Szenen immer wieder viel zu schnell irgendwo zwischen „Lawrence von Arabien“, „Vom Winde verweht“ und den „Karl-May-Verfilmungen“. Dabei steht das Schlimmste dem Zuschauer noch bevor: Nachdem Henry seiner Seelenverwandten einen Heiratsantrag macht, verstirbt er unglücklicherweise. Fortan widmet die nicht kleinzukriegende Gertrude ihr Leben nur noch der Wüste. Dort wird sie irgendwann unweigerlich Robert „Twilight“ Pattinson mit einem Palästinenser-Tuch auf dem Kopf begegnen. Er soll, man glaubt es kaum, T. E. Lawrence verkörpern und macht dabei eine so lächerliche Figur, dass man ihm jetzt schon die „Goldene Himbeere“ für den schlechtesten Auftritt des Jahres verleihen möchte.
Die stets von einer zuweilen arg ermüdenden Aura von Friedlichkeit, Frisch-Gewaschensein und Intellekt umgebene Kidman zieht mit ihrer Karawane weiter durch die Wüstenlandschaften. Kameramann Peter Zeitlinger findet für ihre Abenteuerreise zuweilen atemberaubende Einstellungen, die einem Dokumentarfilm gut zu Gesicht gestanden hätten. Doch mehr Interesse an der unzusammenhängend und oberflächlich erzählten Biografie einer eigentlich ungeheuer interessanten Frau wecken sie nicht. Gertrude Bell arbeitete als Ratgeberin für Winston Churchill, wird zur engen Vertrauten von arabischen Königen und Scheichen und vermittelt als Expertin zwischen den beiden Welten. Nach dem Ersten Weltkrieg, als das Osmanische Reich zerbricht, ist sie an den Grenzverhandlungen in der Region beteiligt. Diese Fakten werden in Herzogs Film nur angerissen.
Dennoch freut man sich für den ungewöhnlich abenteuerlustigen Regisseur, dass sein 35-Millionen-Dollar-Budget ihm ermöglichte, etliche Sandstürme in Marokko und Jordanien auf Film zu bannen. Bei der Gelegenheit zeigt er dem Zuschauer auch endlich einmal das wahre Wesen von Dromedaren. Dagegen hätte er etwas weniger Geld für das ganz große Streicherensemble ausgeben sollen.
Später verliebt Gertrude sich doch noch einmal in einen verheirateten Offizier. Eine Liebe, die auch unerfüllt bleibt. Genau wie letztlich die Liebe des wohlmeinenden Zuschauers zu diesem an etlichen Stellen fehlbesetzten und fehlinszenierten Herzog-Epos.
Stimme / Aug. 2015