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Foto: (C) 2015 Concorde Filmverleih GmbH

Der leidige zweite Teil

2011 schaffte es die Studentin Veronica Roth mit ihrem als dystopischen Dreiteiler angelegten Romandebüt „Die Bestimmung – Divergent“ an die Spitze der Bestseller-Liste der „New York Times“. Im vergangenen Jahr fand die Verfilmung des ersten Teils, unter der Regie von Neil Burger, den Weg in die Kinos. Die in einem postapokalytischen Chicago angelegte Geschichte, die wie eine recht naive Mixtur aus vielen erfolgreichen (Teenie-)-Sci-Fi-Filmen wirkte, entpuppte sich dank der überzeugenden Hauptdarstellerin Shailene Woodley doch noch als ganz spannendes Unterhaltungskino für Jugendliche. Die von ihr gespielte, starke weibliche Hauptfigur Tris gehörte zu den interessantesten Aspekten dieses Blockbusters. Leider verliert sich dies nun im Folgefilm „Divergent – Insurgent“ über weite Strecken.

Das Mädchen, das aktiv ihr Schicksal als eine von einem tyrannischen System Geächtete in die Hand nimmt, erhält beim neuen, deutschen Regisseur Robert Schwentke („R.E.D. – Älter. Härter. Besser“) vielmehr eine enervierend passive Rolle. Sie ist eine von Selbstzweifeln und -hass verunsicherte junge Frau. Kein Wunder, endete der erste Teil doch damit, dass Tris den Tod ihrer Eltern nicht verhindern konnte und den ihres Freundes Will sogar verursacht hatte.

Tris ist einer postapokalyptischen Welt, die ihre Bürger gemäß ihren Fähigkeiten in Altruan (Selbstlose), Amite (Friedfertige), Candor (Freimütige), Ken (Gelehrte) und Ferox (Furchtlose) aufteilt, eine Unbestimmte. Sie vereint die Eigenschaften aller Fraktionen in sich. Da sie somit als unabhängige Denkerin unkontrollierbar ist, wird sie auch im zweiten Teil von Jeanine (Kate Winslet), der machthungrigen Anführerin der Ken, gejagt. Doch zunächst bleibt Tris und ihrem smarten Freund Four (Theo James), ihrem Bruder Caleb (Ansel Elgort) und dem undurchschaubaren Peter (Miles Teller) eine kleine Atempause bei den Amite. Das lässt der von Kameramann Florian Ballhaus nur allzu gern in Nahaufnahmen eingefangenen Tris gerade genug Zeit für ein paar schreckliche Albträume – und um sich vor Gram die Haare kurzerhand abzuschneiden. Die Frisur sitzt dennoch perfekt und gefällt auch ihrem ebenso perfekten Boyfriend.

Doch schon walzen Jeanines Truppen auf den friedlichen Post-Hippie-Hof. Ihr Auftrag: Tris lebend zu fangen, denn Jeanine ist in den Besitz einer dramaturgisch als „MacGuffin“ dienenden Box gelangt, die Tris Eltern versteckt hielten. Sie enthält eine Botschaft von den Gründern der Gesellschaft. Jeanines Problem: Nur eine Unbestimmte vermag sie zu öffnen.

Bis es endlich zum surrealen Showdown kommt, darf sich der schnieke Four immer mehr in den Vordergrund spielen und dabei seine Männlichkeit beweisen. Wenngleich auch er sein Päckchen zu tragen hat: Seine totgeglaubte, egoistisch-zwielichtige Mutter Evelyn (Naomi Watts) will als Anführerin der Fraktionslosen gemeinsam mit ihm und Tris eine Rebellion anzetteln. Viel Spielzeit bekommt sie in „Insurgent“ nicht, aber vom ersten Moment ihres Auftritts an ist klar, dass sie als wichtige Figur des nächsten Teils etabliert werden soll.
In der letzten halben Stunde des am Ende leidigen zweiten Teils darf Tris dann endlich in einer filmtechnisch an die „Matrix“-Verfilmungen erinnernden, virtuellen Realität zeigen, was die Zuschauer von ihr sehen wollen: eine vielschichtige junge Frau, die Eigenschaften wie Furchtlosigkeit und Güte in sich vereint. In den angekündigte Teilen drei und vier wünscht man sich dann aber mehr davon.

Weser Kurier / März 2015