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Joker MacLaine
Die 82-jährige Hollywood-Legende Shirley MacLaine glänzt in der leider nicht rundum gelungenen Komödie „Zu guter Letzt“.
„Habe ich gerade meinen Job an eine hundertjährige Oma verloren?“, stöhnt die junge Radiomoderatorin in der Komödie „Zu guter Letzt“ von Mark Pellington. Tja, das kann schon passieren, wenn besagte Oma eine unglaubliche Strahlkraft hat, da sie von der grandiosen Shirley MacLaine verkörpert wird. Zudem spielt die rebellische Schauspielerin eine interessante Frauenfigur, der eigentlich noch wesentlich mehr Potenzial innewohnt, als ihr Drehbuchautor Stuart Ross Fink in seinem Wohlfühlfilm zugestanden hat: Durfte man im Kino schon unzähligen sturen, alten Männern bei ihrer späten Entwicklung zum Menschenfreund zusehen, steht nun eine betagte Dame im Fokus, die Zeit ihres Lebens gute Gründe hatte, in einer männerdominierten Welt ihren Willen durchzusetzen.
Nach einem womöglich unfreiwilligen Selbstmordversuch wird der 80-jährigen Harriet (Shirley MacLaine) plötzlich klar, dass sie sich vor ihrem Ableben eigentlich noch um einen glorreichen Nekrolog auf sie kümmern müsste. Gedacht, getan, setzt die vermögende Lady bei ihrem ehemaligen Kunden, der „Bristol Gazette“, durch, dass deren für die Nachrufe zuständige Autorin Anne Sherman (Amanda Seyfried) auch ihren verfassen muss.
Schon bald stößt die angepasste, junge Journalistin, die eigentlich lieber Essays veröffentlichen würde, bei ihrer Recherche auf heftige Reaktionen: Niemand will auch nur ein einziges gutes Wort über den exzentrische, alten Drachen verlieren. Immerhin war Harriet stets verletzend ehrlich zu ihren Mitmenschen, dominant, kontrollsüchtig und perfektionistisch. Geschieden ist sie schon seit Langem und mit ihrer Tochter (Anne Heche) redet sie seit Jahren auch nicht mehr. Selbst aus ihrer eigenen Werbeagentur wurde sie – in einem verwirrenden Subplot – herausgemobbt.
Rasch analysiert Harriet die Lage. Vier Dinge machen ihrer Meinung nach einen gelungenen Nachruf aus: Eine von Herzen trauernde Familie, (Ex)-Kollegen, die einen bewundern, sowie ein benachteiligter Mensch, dessen Leben man positiv beeinflusst hat. Nicht zu vergessen eine sogenannte „Wildcard“, etwas ganz Individuelles, das einen von anderen abhebt.
Zunächst macht sie sich mit Anne im Schlepptau daran, in einem Heim für schwer erziehbare Kinder jemanden zu finden, den sie von ihrer Lebensweisheit profitieren lassen kann. Ihre Wahl fällt auf den Rohdiamanten Brenda (AnnJewel Lee Dixon), ein schwarzes Mädchen mit einem vergleichbar starken Willen wie Harriet. Die kleine Rebellin fügt sich wunderbar in das drei Generationen umfassende Frauentrio ein – ihr gemeinsames Bad im Mondschein wird so manchem Zuschauer noch länger in Erinnerung bleiben.
Auch die unvermeidliche Aussprache Harriets mit ihrem Mann (Philip Baker Hall) und ihrer Tochter birgt einige Momente in sich, die mit Drehbuchschwächen und klischeehaften, unglaubwürdigen Szenen an anderer Stelle versöhnen. Zudem vermag Anne Heche als Harriets erwachsene Filmtochter mehr als zu überzeugen.
Die „Wildcard“, die Harriet für sich entdeckt, ist schließlich zugleich der Joker des Films, an dem die ihrer Figur nicht unähnliche MacLaine übrigens auch als ausführende Produzentin beteiligt war: Wenn die schrill aufgetakelte Harriet in einer alternativen Radiostation ihre alten Vinylplatten auflegt, bekommt der Film eine Retroenergie, die den Zuschauer zu guter Letzt beschwingt aus dem Kino heraustanzen lässt.
Stimme / April 2017