Foto (c) Neue Visionen Filmverleih
Das Wesen des Menschseins
Der Schwede Roy Andersson erzählt mit einer gehörigen Portion schwarzem Humor noch einmal davon, was es bedeutet ein Mensch zu sein
Wer über die Tragik des Lebens lachen kann, mag bestimmt auch die Filme von Roy Andersson. Mit dem Abschlussfilm seiner Trilogie über die Natur des Menschen „Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“ holte der schwedischen Regisseurs 2014 den Goldenen Löwen in Venedig. Nun hat er mit „Über die Unendlichkeit“ noch einmal einen ähnlichen, tragikkomischen Film über die Conditio humana gemacht.
Wieder komponiert der 77-jährige akribisch (alb)traumhaft wirkende Tableau vivants in denen bleich geschminkte Menschen in assoziativ aneinandergereihten Alltagsszenen zu sehen sind. Ob nun drei Mädchen vor einem Ausflugslokal spontan zu tanzen beginnen oder ein Mann sich darüber ärgert, dass sein Klassenkamerad im Leben mehr erreicht hat als er – Andersson weckt unser tiefes Verständnis für diese alltäglichen, menschlichen Regungen.
Seine Filme dreht er stets im eigenen Studio. Die leicht surreal wirkenden Kulissen sind gemalt oder bestehen aus raffinierten Modellbauten, die am Rechner perfektioniert wurden. Für die fantastischen Special Effects, die dieses Mal von der kleinen Kölner Firma Industriesauger TV gezaubert wurden, räumte das Team soeben den Europäischen Filmpreis ab.
Wie in vielen von Anderssons Filmen spielt auch Krieg eine Rolle: So lässt etwa das grausig-schöne Bild eines selig wirkenden Liebespaares, das über eine zerbombte Stadt fliegt und sogar Hitler, der im Führerbunker seinem Ende entgegen zittert, die den Zuschauer*in innehalten und mit der unaussprechlichen Wahrheit über das Wesen des Menschseins in Kontakt treten – aber auch den gleichgültigen Atem der Unendlichkeit spüren.
In: Missy Magazine 02/2020