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Foto (c) Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

Für immer verbunden

Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky wagte sich an die Verfilmung großer deutscher Erbauungsliteratur: Der Österreicher bringt Hermann Hesses „Narziss und Goldmund“ mit Sabin Tambrea und Jannis Niewöhner in den Titelrollen auf die Leinwand.

Hermann Hesse machte aus seiner Abneigung gegenüber Literaturverfilmungen keinen Hehl, er hielt sie für „Degradierung und Barbarei“. Der Nobelpreisträger hielt sogar testamentarisch fest, dass seine Bücher nur bei finanzieller Notlage seiner Söhne oder seines Verlages verfilmt werden dürfen. Bislang wurden deshalb nur zwei seiner Romane von amerikanischen Regisseuren fürs Kino adaptiert: 1972 traute sich Conrad Rooks an „Siddhartha“ und zwei Jahre später Shashi Kapor an den Roman „Der Steppenwolf“. Nun wagte es der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky, dessen Film „Die Fälscher“ vor zwölf Jahren mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde, Hesses in 30 Sprachen übersetztes Werk „Narziss und Goldmund“ für das Kino zu adaptieren.

Die zeitlose Geschichte über die innige Freundschaft zwischen dem vergeistigten Narziss und dem lebensfrohen Goldmund hat seit ihrer Veröffentlichung 1930 Millionen von Lesern zutiefst berührt. Den harten Kern der Erzählung hat Regisseur Ruzowitzky, der das Drehbuch gemeinsam mit Robert Gold verfasste, mit überzeugenden Darstellern auf die Leinwand transportiert. Zunächst begeistert Kinderdarsteller Jeremy Miliker in der Rolle des jungen Goldmund, der von seinem gewalttätigen Vater in das mittelalterliche Kloster Mariabronn gebracht wird. Ruzowitzky hat mit der Burg Hardegg im Thayatal in Niederösterreich einen stimmungsvollen Schauplatz gefunden.

Der ungestüme Goldmund, der darunter leidet, dass seine Mutter ihn angeblich verlassen hat, scheint das genaue Gegenteil von Narziss (Oskar von Schönfels) zu sein. Dennoch entwickelt sich zwischen den beiden eine tiefe Freundschaft in dem von Zucht und Ordnung geprägten Klosterleben. Doch der Tag kommt, an dem der Naturbursche Goldmund – als Erwachsener überzeugend gespielt von Jannis Niewöhner – hinaus in die Welt muss. Sein Freund Narziss, der nunmehr großartig von Sabin Tambrea verkörpert wird, hat ihn davon überzeugt.

Goldmunds rastlose Reise-Episoden

Der kluge Mönch, der gegenüber Goldmund stets auch ein wenig die Rolle des Psychoanalytikers einnimmt, hat schmerzlich erkannt, dass sein Freund nicht für das Klosterleben bestimmt ist. Deshalb hat er ihn dazu gedrängt, die Abtei zu verlassen – auch, um sich der an ihm zehrenden Sehnsucht nach seiner Mutter zu stellen. So begibt sich Goldmund auf eine rastlose Odyssee durch das von Tod, Krieg und Pest geprägte Mittelalter, das „Anatomie“-Regisseur Ruzowitzky überzeugend in Szene zu setzen weiß.

Klug ist Ruzowitzkys Idee, Goldmunds rastlose Wanderschaft in Rückblenden zu erzählen. Im Buch sind Narziss und Goldmund schließlich nur am Anfang und am Ende vereint. Allerdings fehlt es diesen arg verknappten Episoden etwas an Spannung und Tiefgang. Sollte man das Buch nicht gelesen haben, steht man – zumindest emotional – völlig auf dem Schlauch. Die Abenteuer Goldmunds und seine amourösen Eskapaden werden dem Zuschauer nicht wirklich nahegebracht und bewegen sich eher auf dem Niveau eines Fernsehfilms. Wirklich ergreifend ist diese Verfilmung immer nur dann, wenn Narziss und Goldmund, zwischen denen eine leicht homoerotische Spannung herrscht, zusammen sind.

Die Frauenfiguren dürfen in Ruzowitzkys Verfilmung erfreulicherweise etwas moderner und selbstbewusster auftreten als bei Hesse – einige der Damen freuen sich schlichtweg über ein Schäferstündchen mit dem außerordentlich gut gebauten Goldmund, ohne sich gleich vor Liebe zu verzehren. Dennoch bleibt natürlich das Grundmotiv des Romans, Goldmunds rastlose Suche nach einer Art „Urmutter“, erhalten. Sie lässt ihn den Weg des Künstlers einschlagen, wie im Roman erlernt er das Bildhauer-Handwerk und kehrt irgendwann – vom Leben gezeichnet – nach Mariabronn zurück, um einen neuen Altar für das Kloster zu bauen.

Mittelbayerische / März 2020