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Miki, Mini und Didi

Popkolumne. Diedrich »Didi« Diederichsen und andere Lektüren im Spätkapitalismus.

Die Summens von Gabriele Summen und Maurice Summen

Maurice mag das Wort Spätkapitalismus nicht. Es klingt, als sei der Spuk bald vorbei, sagt er. Gaby findet dagegen, der Begriff drücke doch ganz gut aus, dass wir in den von Marx prophezeiten Horrorszenarien gefangen seien.

Die sind auch Thema von Barbi Markovićs innovativem Erzählband »Minihorror«, der kürzlich den Preis der Leipziger Buchmesse gewann. Darin geht es um ein Pärchen, Miki und Mini, die wirken, als seien sie einem Cartoon entsprungen.

uch dieses Pärchen ist nicht immer einer Meinung und stellt sich in Wien und anderswo dennoch den Herausforderungen des Spätkapitalismus, weil ihnen nichts anderes übrigbleibt. Sie fahren gemeinsam zu Ikea, obwohl Mini »weder in den Tassen« noch »in den Wohnzimmerszenarien ihr Glück findet«.

Ein anderes Mal entdeckt Miki beim fröhlichen Firmenausflug zur Gewürzfirma »Sonnengott« Ungeheuerliches. Häufig kippen die Geschichten ins Surreale. So fällt ein Freund beim Erzählen seiner unglaublichen Erfolgsgeschichte einfach auseinander. Mal leiden Mini und Miki auch gemeinsam, so fangen sie an, sich beim Putzen gegenseitig zu hassen.

Gaby mag die Texte von Diedrich Diederichsen nicht besonders. ­Maurice ist dagegen Spex-Jünger. Für ihn war das postmoderne Geschwurbel der urbanen Boheme schon als Teenager eine willkommene Alternative zum bäuerlichen Schweigen in der westfälischen Heimat.

Im Band »Das 21. Jahrhundert« sind auf 1.100 Seiten Texte von Diederichsen aus den letzten Jahrzehnten versammelt.

Im Band »Das 21. Jahrhundert« sind nun auf 1.100 Seiten Texte von Diederichsen aus den letzten Jahrzehnten versammelt. Er beschrieb darin eine neue Bürgerlichkeit, die trotz oder gerade wegen der Klassenunterschiede wieder zu sich, also zu Geld und Macht zurückgefunden hat.

Erpresst wird die Rest-Linke in diesem Szenario von einer neuen Rechten und hält darum dem in alter Tradition bellizistisch veranlagtem Bürgertum den Steigbügel. Seine Analysen von Autorentheater, HBO-Serien und Romanen zeigen auf, wie es dazu kommen konnte.

In der Musik von Sun Ra oder Stockhausen steckt theoretisch noch eine Ausstiegsmöglichkeit. Aber nur, wenn man noch etwas für kosmische Spinner übrig hat, die ja heutzutage eher in die Ecke der Abgedrehten gedrängt werden.

Gaby liebt Soul-Musik. Maurice auch. Neulich waren sie zusammen auf dem Konzert von Say She She aus Brooklyn. Ein tolles Gesangstrio irgendwo zwischen den Supremes und Bananarama mit ihrer Band. Nur die Bierpreise schmecken nach Spätkapitalismus.

Foto (c) WIKIMEDIA / AMREI-MARIE / CC BY-SA 4.0 : Barbi Marković nach dem Gewinn der Preises der Leipziger Buchmesse 2024 für ihren Roman »Minihorror«