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Foto (c) 2016 Sony Pictures Releasing GmbH

Mission gescheitert

Mit dem atemberaubenden Raumschiff aus der Sci-Fi-Romanze “Passengers” möchte man unbedingt auch einmal reisen – mit seinem schrägen männlichen Protagonisten allerdings lieber nicht.

Zehn Jahre. So lang ist es her, seit Jon Spaihts Drehbuch zu “Passengers” auf der so genannten Schwarzen Liste stand: der Liste jener noch unverfilmten Drehbücher, die den Filmschaffenden im jeweiligen Jahr am besten gefallen haben. Das Interesse der Studios war geweckt, doch die Umsetzung gestaltete sich schwierig. Stars wie Keanu Reeves, Reese Witherspoon und Emily Blunt kamen und gingen, die Regisseure sowieso. Nun bringt Morten Tyldum (“The Imitation Game”) die Sci-Fi-Romanze endlich in die Kinos, mit den heißesten Hollywoodstars dieser Tage in den Hauptrollen: Jennifer Lawrence und Chris Pratt.

Zunächst kommt der Zuschauer voll auf seine Kosten, hört man einmal gnädig über den seelenlosen Score von Thomas Newman (“WALL-E”, “Skyfall”) hinweg: In 3D fliegt das atemberaubende Raumschiff “Avalon” auf das Publikum zu, seine 258 Crew-Mitglieder und 5.000 Passagiere befinden sich im künstlichen Tiefschlaf. Dies hat einen einfachen Grund: Die Reise zu dem verheißungsvollen Kolonie-Planeten “Homestead II” dauert 120 Jahre. Vier Monate vor Ankunft sollen alle automatisch geweckt und auf die Kolonisation vorbereitet werden.

Doch als nach 30 Jahren Reisezeit das Raumschiff bei einem Meteoritenhagel beschädigt wird, kommt zu einer Fehlfunktion des sich selbst regulierenden Systems. Maschinenbauer Jim Preston (Chris Pratt) erwacht – als Einziger auf dem gigantischen Luxusraumfahrzeug. Jim hat keine Möglichkeit, in den Schlafmodus zurückzukehren. Sein einziger Gesprächspartner auf diesem von genialen Produktionsdesignern entworfenen Raumschiff ist Arthur, ein Androide, der die Bordbar schmeißt. Er wird so hinreißend von Michael Sheen verkörpert, dass er – trotz seiner Bewegungseinschränkung – am nachhaltigsten in Erinnerung bleibt.

Ähnlich wie Matt Damons Mark Watney in “Der Marsianer” durchläuft Pratts Jim verschiedene Stadien, er arrangiert sich nach und nach mit seiner Situation und der Einsamkeit. Dabei beweist der Star aus “Guardians of the Galaxy” einmal mehr sein komisches Talent. Nach einem knappen Jahr setzt sich jedoch allmählich die Verzweiflung durch, Jim trinkt zu viel, verwahrlost zusehends und steht kurz davor sich selbst umzubringen. In seiner Verzweiflung trifft er die fatale Entscheidung, die wunderschöne Autorin Aurora Lane (Jennifer Lawrence) aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken.

Eine Entscheidung, die man nicht nur als extrem egoistisch, sondern durchaus auch als sexistisch werten kann, zumal Jim zu feige ist, das Objekt seiner Begierde wenigstens später einmal davon in Kenntnis zu setzen. Regisseur Morten Tyldum scheint kein wirkliches Gespür für diesen pikanten Aspekt der Geschichte zu haben: Der einsame Jim weckt die hocherotische Blondine aus dem sicheren Tiefschlaf und verdammt sie damit dazu, ihr restliches Leben allein mit ihm auf dem Schiff zu verbringen. Ohne Hemmungen inszeniert der Regisseur seinen weiblichen Superstar in dessousartigen Badeanzügen und ähnlichen Fummeln und lässt Handwerker-Jim dafür alle anfallenden Reparaturarbeiten übernehmen. Klare Rollenverteilung also.

So bekommt der Film eine seltsame Note, obwohl die Chemie zwischen Pratt und Lawrence eigentlich stimmt. Auch eine spektakuläre Schwimmbadszene mit der leidenschaftlichen Wasserratte Aurora, in der für kurze Zeit die Schwerkraft an Bord ausfällt, vermag den Zuschauer nur kurz über die Schräglage der Geschichte hinwegzutrösten. Die erkennbar angestrebte Mischung aus einem großen Liebesepos à la “Titanic” und Science-Fiction-Filmen wie “2001” oder “Gravity” gelingt einfach nicht.

Was hilft es da, dass der geläuterte Jim am Ende noch einmal all seinen Edelmut in die Waagschale wirft? Das actionreiche Finale wirkt für einen 110-Millionen-Dollar-Film nicht nur zweitklassig, es hinterlässt beim Publikum einfach nur einen fahlen Beigeschmack. Genau wie die “Avalon” kann sich dieses kostspielige Filmschiff leider nicht mehr selbst reparieren – und Tyldum verpasst alle Gelegenheiten dazu. Mission gescheitert. Leider.

Stimme / Dez. 2016