Foto (c) Alamode Film
Allein gegen die Milch-Mafia
Wieder einmal eine David-gegen-Goliath-Geschichte auf Isländisch: Grímur Hákonarson erzählt in seiner Tragikomödie „Milchkrieg in Dalsmynni“ vom Kampf einer Milchbäuerin gegen die entgleiste Monopolwirtschaft einer ehemaligen Solidargemeinschaft.
Isländer können schrecklich stur sein und scheinen zivilen Ungehorsam bereits mit der Muttermilch aufzusaugen: Das zumindest vermitteln zwei herausragende Filme der letzten Jahre aus dem kargen Inselstaat, in dem die Folgen des Turbokapitalismus und der Globalisierung schon lange auch schmutzigen Blüten tragen. In dem großartigen Ökothriller „Gegen den Strom“ (2018) von Benedikt Erlingsson zog eine freundliche Fünfzigjährige nachts mit Pfeil und Bogen los, um die Aluminiumindustrie zu schädigen, und in dem archaischen Bruderdrama „Sture Böcke“ von Grímur Hákonarson aus dem Jahre 2015 widersetzte sich ein zotteliger Schafbesitzer dem Veterinäramt. Auch in Hákonarsons neuestem Film „Milchkrieg in Dalsmynni“ wagt es eine verwitwete Milchbäuerin, den Kampf David gegen Goliath aufzunehmen und legt sich mit der örtlichen, mafiös-korrupten Genossenschaft an.
Gleich in einer der ersten Szenen hilft die tatkräftige Inga (Arndís Hrönn Egilsdóttir) einem Kalb auf die Welt und macht damit von Anfang an deutlich, dass sie in einer von patriarchalen Strukturen geprägten Welt ihre Frau zu stehen weiß. Sie und ihr Mann Reynir (Hinrik Ólafsson) betreiben eine Milchfarm, die jedoch hoffnungslos verschuldet ist. Schuld daran ist die lokale Kooperative des Dorfes, in der alle Farmer Mitglieder sind. Einst gegründet zum Schutz gegen internationale Konzerne, haben sich die Strukturen der Solidargemeinschaft verselbstständigt.
Ihre Mitglieder werden mittlerweile gezwungen, ihren Farmbedarf bei der Genossenschaft zu teilweise überteuerten Preisen zu erwerben und auch ihre Erzeugnisse nur an diese zu verkaufen. So ist ein ganzer Ort abhängig von einer Organisation, die man selbst geschaffen hat. Abweichler werden bestraft und erpresst, wie auch Ingas Mann, der eines Tages nach einem Termin beim Genossenschaftsvorsitzenden tödlich verunglückt – die Frage, ob es sich um Selbstmord, Mord oder einen Unfall handelt, bleibt offen.
Mafiöse Machenschaften
So beginnt er, der titelgebende „Milchkrieg in Dalsmynni“. Regisseur Hákonarson erzählt seine Geschichte äußerst gemächlich, Kameramann Mart Taniel hat sie in starren Einstellungen festgehalten, unterstützt von nur spärlich eingesetzter Filmmusik.
Inga begreift nach und nach, dass der Tod ihres Mannes mit den mafiösen Machenschaften der Kooperative zusammenhängt. Sie beginnt, auf Facebook Beiträge über die schmutzigen Methoden der Genossenschaftler zu posten, gibt aufrührerische TV-Interviews, pfeift auf die Drohungen des mächtigen Leiters der Kooperative (Sigurður Sigurjónsson) und bewirft das Auto eines mächtigen Mitarbeiters, der ihr Angst machen will, mit Mist. Zunächst steht sie allein auf weiter Flur, denn keiner der Bauern wagt es, gegen die allmächtige Genossenschaft aufzubegehren. Im Laufe des Films aber ändert sich das ganz allmählich.
Leider aber fiebert man dabei mit Inga nicht wirklich mit. Und das, obwohl Hauptdarstellerin Egilsdóttir sie kraftvoll und glaubwürdig verkörpert. In ihren besten Momenten erinnert sie mit dem von einem harten Leben gezeichneten Gesicht, den klaren Augen und dem blaugrauen Arbeitsoverall an Frances McDormands in dem grandiosen, bitterbösen Rachedrama „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“; gegen das schwache Drehbuch des Films kommt sie aber nicht an. Ihre Figur bleibt farblos, viel erfährt der Zuschauer nicht über diese Inga. Und zum Schluss stiehlt sich Regisseur Hákonarson auch noch mit einem recht billigen Ende davon. Seine Drehbuch-Milchmädchen-Rechnung geht leider nicht ganz auf.
Nordbuzz / Jan. 2020