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Gewaltmarsch durch Mandelas Leben
Bereits einige namhafte Schauspieler schlüpften in Filmen über bestimmte Abschnitte aus Mandelas Leben in dessen Haut, etwa Morgan Freeman in Clint Eastwoods „Invictus“ (2009) und Dennis Haysbert in Bille Augusts „Goodbye Bafana“ (2007). Doch Chadwicks Wahl fiel auf Idris Elba: Der vielseitige Musiker und herausragende Darsteller („The Wire“, BBC’s „Luther“) ähnelt Mandela zwar kaum. Dennoch gelingt es ihm innerhalb weniger Filmminuten, die vor Tatkraft, Unbeirrbarkeit und Würde strotzende Persönlichkeit Mandelas zum Leben zu erwecken.
Einen Schwerpunkt setzt der Film auf Madibas – so der Clanname Mandelas – Beziehung zu der Sozialarbeiterin Winnie Madikizela, die seine zweite Ehefrau werden sollte. Auch diese Rolle besetzte Chadwick sehr geschickt, nämlich mit Naomie Harris, die zuvor im Bond-Film“Skyfall“ die Nachfolge von Miss Moneypenny angetreten hat. Obwohl es Drehbuchautor William Nicholson („Gladiator) und dem Regisseur nur im Ansatz gelingt, Winnies Radikalisierung während des 27 Jahre langen Gefängnisaufenthaltes ihres geliebten Gatten nachvollziehbar zu machen, bekommt der Zuschauer rasch ein Gefühl für den brodelnden Stolz dieser von den Weißen endlos schikanierten und gedemütigten Frau.
Ansonsten aber hat man das Gefühl, als Zuschauer an einem zweieinhalbstündigen Gewaltmarsch durch ein mehr als bewegtes Leben teilzuhaben: Von der in wenigen Minuten abgehandelten Kindheit des 1918 geborenen Madibas in den hübsch fotografierten Steppenlandschaften seines Stamms springt der Film ins Johannesburg der frühen 1940-er, wo Mandela als Anwalt arbeitet und bereits erste Kontakte zum African National Congress knüpft. Es folgt schnell die Phase der Radikalisierung im Kampf gegen die Apartheid, Mandelas Ergreifung, die jahrelange Haft auf Robben Island, bis schließlich die geheimen Treffen mit Präsident de Klerk (Gys de Villiers) beginnen, mit dem er die gemeinsame Zukunft des Landes und seine bedingungslose Begnadigung bespricht. Dazwischen klaffen – trotz einiger geschickt eingesetzter historischer Originalaufnahmen – riesige Lücken zwischen den einzelnen Lebensstationen, die man so nur schwer in den historischen Zusammenhang einordnen kann. Wie sich der ehemalige Guerillakämpfer im Gefängnis zu einem beinahe übermenschlichen Vorbild für Gewaltlosigkeit und Vergebung entwickelte, lässt sich dadurch leider nicht wirklich verstehen. Mandelas vielschichtiges Leben war von weitaus mehr geprägt als von „Ordinary Love“, wie es der ehrgeizige Regisseur und die Band U2 mit dem Titelsong des Films den Zuschauer letztlich glauben machen wollen. Welche Ironie, dass die einzige Oscarnominierung für „Mandela: Der lange Weg zur Freiheit“ ausgerechnet jenem Lied zufiel.