Foto: (C) 2015 Warner Bros. Ent.
Ziemlich bester Praktikant
Endlich der wohlverdiente Ruhestand! Tun und lassen können, wonach einem gerade ist. Wenn es doch so einfach wäre. Der 70-jährige Witwer Ben Whittaker (Robert De Niro) in Nancy Meyers‘ Feelgood-Komödie „Man lernt nie aus“ weiß mit seiner neu gewonnenen Freiheit wenig anzufangen. Die Leere in seinem Leben lässt ihn nachts gar wach liegen. Da trifft es sich bestens, dass der frischgebackene Rentner aus Brooklyn eine ganz besondere Stellenanzeige entdeckt: Ein auf Mode spezialisierter Internethandel sucht Senior-Praktikanten!
Mit Elan macht sich Ben an das erste Bewerbungsvideo seines Lebens. Schon bald tritt er, der wahrlich vom alten Schlag ist und am ersten Arbeitstag in Anzug und Krawatte in der hippen Riesenfirma erscheint, seinen Dienst als persönlicher Praktikant von Firmengründerin Jules Ostin an. Verkörpert wird die junge Chefin von Oscarpreisträgerin Anne Hathaway, die noch vor knapp zehn Jahren in „Der Teufel trägt Prada“ selbst als Praktikantin eines führenden Modemagazins aufspielte.
Zunächst sollte eigentlich Reese Whiterspoon die Rolle der zwischen modernen Geschäftspraktiken und mädchenhaften Selbstzweifeln schwankenden Karrierefrau spielen. Sie lehnte ab. Lag es vielleicht an der schwachen Figurenzeichnung von Regisseurin Meyers („Was Frauen wollen“, „Liebe braucht keine Ferien“), die wie bei den meisten ihrer Filme auch das Skript zu dieser starbesetzten Komödie verfasste? Wird es doch beispielsweise wenig ersichtlich worin das 2.0-Erfolgsrezept der 32-Jährigen, deren Ehemann scheinbar ganz modern Heim und Kind hütet, eigentlich besteht: Mit dem Fahrrad durch ein Riesen-Firmenloft zu düsen und partout keinen CEO, also keinen geschäftsführenden Vorstand für ihr rasch gewachsenes Unternehmen einstellen zu wollen, kann ja wohl nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Für die im Grunde recht attraktive Rolle des erfahrenen alten Geschäftsmanns, war zunächst Jack Nicholson vorgesehen, doch womöglich schien auch dem „Shininig“-Star das Drehbuch zu gefällig. Und obwohl es immer ein Genuss ist, dem nimmermüden 72-jährigen Robert De Niro bei der Arbeit zuzuschauen, hat auch der ehemalige „Taxi Driver“ während des überlangen Films große Mühe, keine lächerliche Figur abzugeben.
Der Rest der recht seichten Geschichte ist rasch erzählt: Hathaway agiert als Jules im Grunde wesentlich einfühlsamer als einst ihre „Prada“-Filmchefin, verkörpert von Meryl Streep. Dennoch weiß sie mit ihrem persönlichen Praktikanten, der eigentlich nur Teil einer Image-Kampagne ist, zunächst wenig anzufangen. Der liebenswerte Rentner gewinnt jedoch durch seine umgängliche Art rasch die Herzen seiner vornehmlich jungen Kollegen – dargestellt unter anderem von Andrew Rannells („Girls“), Adam DeVine („Pitch Perfect“) und Zack Pearlman („The Inbetweeners“).
Filmemacherin Meyers lässt Jules beruflich und privat eine Krise durchstehen, die jedoch wieder in pseudomoderne Zuckerwatte eingepackt ist. Allmählich lernt sie Bens Lebens- und Berufserfahrung beziehungsweise das Herren-Stofftaschentuch des Kavaliers und seine starke Schulter mehr und mehr zu schätzen. Schon bald wird er dem recht oberflächlichen Skript folgend ihr ziemlich bester Praktikant – und Freund.
Mittelbayerische / Sept. 2015