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Foto: (c) 2015 Constantin Film Verleih GmbH

Raue Schale, weicher Kern und nackte Haut

“Fack ju Göhte 2” wird eingefleischte Fans der Kultkomödie sicher nicht enttäuschen. Aber der Fortsetzung fehlt es an Biss.

Es war ein phänomenaler Erfolg: Die Lehrerkomödie “Fack ju Göhte” von Regisseur Bora Dagtekin (“Türkisch für Anfänger”) wurde mit über sieben Millionen Zuschauern 2013 Klassenbester des deutschen Films. Gleichzeitig eroberten Aushilfslehrer Zeki Müller und seine liebenswerten Chaoten der Goethe-Gesamtschule Platz vier in der Hitliste der erfolgreichsten deutschen Filme seit 1968. Logisch, dass das Sequel mit dem schlichten Titel “Fack ju Göhte 2” nicht allzu lange auf sich warten ließ.

Doch wie sollte sich der Überraschungserfolg noch toppen lassen? Teil eins zeichnete sich besonders durch erfrischend politische unkorrekte Szenen, eine hohe Gagdichte und großen Sprachwitz aus. Keine Frage: “Türkisch für Anfänger”-Regisseur und Lehrerkind Bora Dagtekin, der auch das Drehbuch schrieb, hatte den zahllosen “Problemschülern” von heute ganz offensichtlich genau “aufs Maul geschaut”. Mit “Fack ju Göhte 2” konnte Dagtekin gar nicht anders als noch einmal auf das bewährte Erfolgsrezept zurückzugreifen, das Millionen von Zuschauern in die Kinos strömen ließ und Dialogfetzen wie “Chantal, heul’ leise!” zum geflügelten Wort machte. Doch das Sequel einer zum Kult avancierten Komödie ist immer eine schwierige Herausforderung, erhoffen sich die Fans doch hohen Wiedererkennungswert und wollen dennoch aufs Neue überrascht werden.

Dieses Kunststück ist Dagtekin im Großen und Ganzen gelungen, indem er Ex-Knacki und Lehrer-Frischling Zeki Müller (Elyas M’Barek) und seine “schwachmatische” Klasse – ganz klassisch für eine Fortsetzung – in ein unbekanntes Umfeld verfrachtet. So schickt er den Anti-Pauker mit seiner nervig-chaotischen 10b, deren sozial schwache, reiseunerfahrenen Schüler die Insel Föhr schon mal für einen Teil Spaniens halten, auf Klassenfahrt in ein “asoziales” Küstenkaff nach Thailand. Doch diese vermutlich größten Herausforderung des Lehrerdaseins, von dem er ohnehin allmählich die Nase voll hat, nimmt er nicht ganz freiwillig an. Der Ex-Kleinkriminelle will in Thailand nach dem Schulmaskottchen suchen, in dem er Diamanten aus einem seiner letzten Beutezüge versteckt hatte. Denn unglücklicherweise hat seine Freundin, die ambitionierte Lehrerin Elisabeth “Lisi” Schnabelstedt (Karoline Herfurth) jenes Kuscheltier in einem Spendencontainer entsorgt, der nach Südostasien ging.

Also macht Herr Müller Rektorin Gerster (Katja Riemann, die erneut höchst ansteckenden Spaß an ihrer Rolle zu haben scheint) vor, er wolle dem elitären Schiller-Gymnasium die thailändische Partnerschule abjagen – und so der Goethe-Gesamtschule eine Werbekampagne des Bildungsministeriums sichern. Und um nicht nach Nordfriesland fahren zu müssen, macht er vor kaum etwas Halt: Föhr-Sympathisantin Frau Leimbach-Knorr (Uschi Glas) wird von Zeckis pubertären Schergen kurzerhand ausgeschaltet und beschert so dem Kinopublikum eine köstlich-absurde Horrorszene.

Leider muss “Lisi” unter Terrorverdacht am Flughafen zurückbleiben – auf den ersten Blick ein schlauer Schachzug Dagtekins, um die Liebesgeschichte der beiden nicht den Schulkomödien-Schwerpunkt verwässern zu lassen. Andererseits hätte Teil zwei durch die unterschiedlichen pädagogischen Konzepte, die die Jungverliebten verkörpern, sicher erneut an Schärfe gewonnen.

Nun muss sich der prollige Antilehrer also allein mit seinen Schützlingen herumplagen: Sowohl Chantal, die wieder von der unnachahmlichen und nur folgerichtig zur Hauptdarstellerin aufgestiegenen Jella Haase gespielt wird, als auch “Danger” (Max von der Groeben), Zeynep (Gizem Emre) und Paco (Rapper Farid Bang) sind mit von der Partie. Auch der Quoten-Inklusionsschüler Etienne (Lucas Reiber), der fleißig Elbisch lernt, wird mit unlauteren Methoden zur Teilnahme an der Klassenfahrt motiviert. Neu zum Cast stößt der nervige Vorzeigelehrer Hauke Wölki (Volker Bruch) vom Schiller-Gymnasium, der ganz selbstverliebt einen eigenen YouTube-Kanal pflegt und sogar hinterhältig versucht, in Thailand Tsunami-Waisen auszunutzen.

Gerade im Vergleich mit dem vermeintlichen Vorzeigelehrer wird klar, dass Zeki Müller eigentlich das Herz am rechten Fleck hat. Ohnehin ist es beeindruckend zu sehen, wie Mädchenschwarm M’Barek es schafft, seiner arg vorhersehbaren Figur Glaubwürdigkeit zu verleihen, sogar dann, wenn er nackte Haut zeigt. Dennoch verliert “Fack ju Göhte 2” durch Müllers Verhalten, das stets dem Motto “Raue Schale, weicher Kern” gehorcht, und die sicher ehrenwerten Ambition, ernsthaftere Themen unterzubringen, gegenüber dem Vorgänger an Witz und Tempo. Aber: Allein für “Straßendeutsch-Perlen” von Zeckis Rasselbande wie “Ich schwöre, du bist so Arzt” lohnt sich der erneute Gang ins Kino allemal.

Stimme / Sept. 2015