Foto (c) Zander Brant
Das fremde Profil im Internet
E112. OMG. Tlk2u l8er: Jilliane Hoffmann berichtet in „Mädchenfänger“ aus den Jagdgebieten des World Wide Web
Pädophile, die mit Hilfe der „schwarzen Tiefen des Cyberspace“ Kontakt mit Kindern aufnehmen, sind zurzeit durch die effekthascherische Sendung „Tatort Internet“ in aller Munde. Auch der Thriller „Mädchenfänger“ der Ex-Staatsanwältin Jilliane Hoffmann reiht sich eher in diese Art „aufklärerischer“ Medien ein. Dennoch wird man sich nach der Lektüre des zum Teil einfach gestrickten, aber dennoch temporeich erzählten Romans fragen: Wie lautet eigentlich die E-Mail-Adresse meines Kindes? Hat es ein Facebook- oder Myspace-Profil? Wie alt ist das Kind laut der Networking-Seiten eigentlich?
Lainey Emerson aus Hoffmanns neuestem Thriller „Mädchenfänger“ ist 13 Jahre alt. Online gibt sie sich für 16 aus. Bei Myspace lernt sie den vorgeblich 17-jährigen ElCapitan kennen. Er ist gutaussehend, verständnisvoll, aber was am allerbesten ist: Er mag die in den unsicheren Gefilden der Pubertät schwimmende Elaine sehr.
Hand aufs Herz: Könnten Sie folgendem Dialog zwischen den beiden folgen: E112. OMG. Tlk2u l8er? – Nein? Dann könnte Hoffmanns Thriller um ein psychopathisches „Cyber-Phantom“ eben doch für Sie interessant sein. Schließlich hat die Autorin des Bestsellers „Cupido“ eine ganze Weile Spezialeinheiten der Polizei beraten und ist selbst Mutter zweier kaum zu kontrollierender Teenager. Deshalb weiß sie ebenso wie ihr Ermittler Bobby Dees, dass man heutzutage leider vieles, was man über seine Kinder wissen will „in ihren Handys oder auf der Festplatte ihres Computers“ findet.
FBI-Agent Dees, auch der Hirte genannt, weil er bislang noch jeden vermissten Teenager tot oder lebendig nach Hause gebracht hat, leidet selbst – wenig überraschend – unter dem Trauma, dass seine eigene Tochter spurlos verschwunden ist. Schon allein deshalb ist er hochmotiviert in dem klassischen „Wer ist der Psychopath-Krimi?“ die verschollene LainBrain – so Elaines Username – zu finden.
Recht bald führt die Spur zu dem Serienmörder und Hobbymaler „Picasso“, der die gefolterten Mädchen im Moment ihres Todes auf Leinwand verewigt. Das ist furchtbar. Schade aber ist, dass ziemlich nebulös bleibt, warum Picasso, der immerhin eine der drei wechselnden Erzählperspektiven im Roman einnimmt, diese Morde begangen hat.
Dennoch behalten der Trash-Sender RTL2 und Hoffmann in all ihrer gefährlichen Naivität in einem Punkt recht: „Böse Männer … konnten am helllichten Tage direkt durch die Haustür hereinspazieren … durch den Computer direkt ins Kinderzimmer.“ Dann ist es hilfreich zu wissen, was das Kind gerade eilig in den Computer eingetippt hat. „E112. OMG. Tlk2u l8er“: Eltern im Anmarsch. Oh my god. Talk to you later.
„Mädchenfänger“ von Jilliane Hoffmann in Berliner Zeitung vom Okt. 2010