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Foto: (c) 2015 Constantin Film Verleih GmbH

Galoppstreckenweise Kitsch

Beinahe eine Million Zuschauerinnen und womöglich auch ein paar verirrte männliche Kinogänger sahen im Jahre 2013 das romantische Mädchen-Pferdeabenteuer „Ostwind“. Regisseurin Katja von Garnier, die zuletzt mit ihrem recht konventionellen Dokumentarfilm „Forever and a day“ vor allem eingefleischte Fans der Scorpions ansprach, versucht mit „Ostwind 2 – Rückkehr nach Kaltenbach“ an das Erfolgsrezept des ersten Teils anzuknüpfen. Diesmal gelingt es ihr nur zum Teil, Pferdenärrinnen mit galoppstreckenweise gekonnt kitschigem Gefühlskino zu überwältigen.

Gleich zu Beginn, in einer von vielen Slow-Motion-Szenen, träumt die inzwischen vollends zum Teenager herangereifte Mika (Hanna Binke) von ihrem heißgeliebten Rappen Ostwind. Für Mika, die ihren eigenen Kopf hat, ist sofort klar: Sie wird die Ferien nicht wie geplant in Paris verbringen, sondern heimlich zum Hof Kaltenbach aufbrechen, wo der von ihr gezähmte Hengst mit der weißen Strähne in der Mähne wartet. Für den Zuschauer ist ebenfalls sofort klar: Ein weiteres modernes Pferdemärchen, das Mädchenherzen höher schlagen lassen soll, nimmt seinen recht pathetischen Anfang.

Doch Ostwind verhält sich merkwürdig, er scheint mit seiner Aufmerksamkeit woanders zu sein und hat blutige Kratzer am Bauch. Auch auf Hof Kaltenbach ist nicht alles beim Alten. In dem einst beliebten Reitstall stehen immer weniger Pferde, da in der Nähe ein topmoderner Reiterhof eröffnet wurde. Die karikaturenhaft agierenden Banker stehen kurz davor, den Kredit zu kündigen – es wäre das Ende für den Hof von Mikas Großmutter Maria (Cornelia Froboess).

Doch Mikas Freundin Fanny (Amber Bongard), die im Gegensatz zu vielen anderen auch ein paar brauchbare und zudem recht witzige Dialogzeilen zum Besten geben darf, hat eine Idee: Mika soll mit Ostwind beim Vielseitigkeitsturnier im verhassten Nachbar-Gestüt teilnehmen, statt nur mit ihm „rumzukaspern“. Schließlich winkt dort ein hohes Preisgeld, das Kaltenbach vor dem Ruin retten könnte.

Doch vorher muss die rothaarige Pferdeflüsterin noch herausfinden, warum ihr rebellischer vierbeiniger Freund so nervös ist. Also folgt ihm Mika ihm in den Wald, wo sich gerüchteweise ein Einhorn herumtreiben soll. Stattdessen stößt Mika dort aber auf eine überaus anmutige Schimmelstute mit dem merkwürdigen Namen 33. Und Ostwind hat sich in sie „verliebt“. Bald schon ruft auch ihr vermeintlicher Besitzer, der geheimnisvolle Milan (Jannis Niewöhner), der seine Stute vergeblich wieder einzufangen versucht, starkes Herzklopfen bei Mika hervor.

Das ist wirklich jammerschade – hatte „Ostwind – Zusammen sind wir frei“ doch seine stärksten Momente, wenn die auf gegenseitigem Vertrauen basierende Beziehung von Mädchen und Pferd überwältigend in Szene gesetzt wurde und nicht durch eine konventionelle Erste-Liebe-Story verwässerte. Jene von Kameramann Torsten Breuer eingefangenen, berührenden Szenen fallen leider wesentlich spärlicher aus. Nicht nur aufgrund des Techtelmechtels zwischen Mika und Milan, sondern auch wegen der aufgeblasen-hanebüchenen Geschichte, in der auch wieder ein böser Abdecker eine Rolle spielt.

Höhepunkt des zweiten Teils ist hinsichtlich der beeindruckenden Pferd-Mensch-Szenen sicher die Dressurprüfung, die Mika kurzentschlossen mit ihrem Hengst ohne Sattel und Trense absolviert. Wenn Mika die Vorteile des „Natural Horsemanship“ gegenüber den konventionellen Reitmethoden unter Beweis stellt, stockt sicher nicht nur Pferdefreundinnen der Atem. Möglicherweise ist Mika, in diesen Szenen von Reitdouble Kenzie Dysli dargestellt, tatsächlich eher eine Kentaurin – also halb Mensch, halb Pferd. Das zumindest bescheinigt ihr Herr Kaan (Tilo Prückner), der ebenfalls wieder mit von der Partie ist.

Die solchen Szenen innewohnende Botschaft – mit Natur und Tieren im Einklang zu leben und als junger Mensch ausgetretene falsche Pfade zu verlassen – machen die zu Tränen rührende Magie dieses modernen Pferdemärchens aus. Nur schade, dass dieser Zauber nicht über die gesamte Filmlänge trägt.

Stimme / Mai 2015