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Foto: (c) MFA

Bezaubernde Greta

Sollte man in diesem Sommer nur Gelegenheit haben, einen einzigen Film anzuschauen, so wäre „Frances Ha“ von Noah Baumbach („Greenberg“) eine sehr gute Wahl.  Selten verlässt man das Kino derart beschwingt, inspiriert und mit einem Bauch voll wundervoller Schwarz-Weiß Bilder. Wie die hinreißende Greta Gerwig („Lola gegen den Rest der Welt“) als Frances zu den Klängen von David Bowies „Modern Love“ durch die Straßen New Yorks tanzt – jetzt schon ein Klassiker.

Und es lässt sich unbekümmert weiterschwärmen über die eigenwillige Titelheldin: Wie sie ihre besten Freundin Sophie – ebenfalls beeindruckend verkörpert von Mickey Sumner – darauf aufmerksam macht, dass sie „wie ein lesbisches Paar“ seien, „das keinen Sex mehr hat“ – unbezahlbar. Wie sie einen Kurztrip nach Paris aufgrund von Jetlag beinahe komplett verschläft, oder die Art, wie sie auf einer Dinner-Party auf die unumgängliche Frage danach reagiert, was sie denn so mache – urkomisch und wahrhaftig.

Wo Woody Allens neurotisches Geplapper gelegentlich nervt, kann man nicht anders, als von diesem impulsiven Trampel, der zu viel redet, einen Hang zur Selbstzerstörung hat und keinen Fettnapf auslässt, schlichtweg bezaubert zu sein. Gemeinsam mit ihrem Partner Baumbach, der bereits mit Wes Anderson wunderbare Drehbücher wie „Die Tiefseetaucher“ und „Der fantastische Mr. Fox“ fabriziert hat, schneiderte sich Gerwig die Rolle der 27-jährigen Frances auf den Leib. Das nicht mehr ganz junge Mädchen, das beständig zwischen Bauerntrampel und leichtfüßiger Göttin changiert, will Tänzerin werden, doch damit will es einfach nicht so recht klappen. Ihre Beziehung zum anderen Geschlecht beschreibt sie trocken mit den Worten „undateable“ – ihre Art schreckt letzten Endes jeden ernsthaften Verehrer ab. Mit diesen Voraussetzungen würde sie auch gut in die HBO-Serie „Girls“ passen. Doch sowohl die Filmmusikstücke von George Delerue als auch die atemberaubenden Schwarz-Weiß-Bilder (Kamera: Sam Levy), die „Frances Ha“ mit dem geistesverwandten deutschen Filmjuwel „Oh Boy“ teilt, erinnern eher an die großen Filme der Nouvelle Vague.

Frances fühlt sich nur mit ihrer Freundin Sophie richtig wohl in ihrer Haut. Eines Tages eröffnet diese ihr jedoch, dass sie aus ihrer gemeinsamen WG ausziehen und mit ihrem Freund zusammenwohnen will. Frances gerät ins Straucheln: Wie soll sie fortan nur ohne ihr Seelenverwandte in New York zurechtkommen? Und wie zum Teufel soll sie allein die Miete zusammenkratzen, zumal sie große Schwierigkeiten mit ihrer Dance Company hat?

Wer an dieser Stelle einen jener unerträglichen Problemfilme über Twenty Somethings wittert, die ihr Leben nicht auf die Reihe bekommen, dem sei noch einmal ausdrücklich gesagt, dass er sich auf der falschen Fährte befindet. Denn eines ist von den ersten Szenen an klar: Diese bezaubernde Dampfmaschine von einer verpeilten Lebenskünstlerin wird immer wieder auf ihren Füßen landen – und es macht einen Höllenspaß, ihr dabei zuzuschauen.

Text: Gabriele Summen / Fotos: Pine District, LLC./ MFA+ FilmDistribuion e.K.

Chilli Freiburg / Juli 2013