Foto (c) Andreas Böttcher
Heißer Scheiß
„Der größte Erzähler der Ruhrgebiets“ erzählt wieder einmal grandios von seinem Scheitern
»Einmal Tchibo und zurück« heißt eine Geschichte, die der Bochumer Wolfgang Welt in seinem vierten Roman »Doris hilft« einer Literaturredakteurin verkauft. Der Titel ist exemplarisch für die Lakonik, die Wahrhaftigkeit und die gedämpfte Verzweiflung in Welts Welt.
Der streng autobiographische Roman des ehemaligen Popjournalisten, der in den achtziger Jahren für bekannte Musikmagazine wie Sounds und den Musikexpress schrieb und schon bald seinen ersten Roman „Peggy Sue“ veröffentlichte, setzt ein, als er aus der Psychiatrie entlassen wird und Geier Sturzflug mit ihrem unsäglichen Titel »Bruttosozialprodukt« Nummer eins in den Charts sind. Er endet in dem Jahr, als Roy Black sich aus dem Fenster stürzt und Welt erneut die Anstalt verlässt.
Dazwischen erleben wir einen Buddy-Holly-Fan auf der »ewigen Hatz nach dem weiblichen Wesen«, einen unter schizophrener Psychose leidenden Nachtwächter, der noch bei seinen Eltern wohnt und sich zwischen Radiohören, Masturbation, Schreibblockaden, Antidepressiva und ein paar Bierchen fragt, ob er bereits »durch sein schieres Leben Literatur erzeuge«.
Nur gut, dass er es wieder einmal runtergeschrieben hat, denn Welt ist ein souveräner, kreuzehrlicher Erzähler, der von seinen Wahnvorstellungen genauso unaufgeregt und scheinbar naiv zu berichten versteht wie über ein Zusammentreffen mit dem Dichter Erich Fried oder von seinem tristen Nachtwächterjob.
Ein Buch für Leute, die jeden Tag heißen Scheiß erleben, vor allem aber auch eines für Leute, die jeden Tag nur Scheiß erleben.
Wolfgang Welt: Doris hilft. Suhrkamp, Frankfurt/Main 2009. 200 Seiten.