Die Nestbeschmutzerin
Die Nobelpreisträgerin bricht in der Doku von Claudia Müller ihr Schweigen
„Die tut ja nur Österreich beschimpfen und äußert sich über alles negativ, diese Person ist ja die Negation in persona“, hört man eine Landsmännin Elfriede Jelineks am Ende des Dokumentarfilms über die „Nestbeschmutzerin“ sagen. Da hatte die „Vaterlandsverräterin“ gerade den Nobelpreis für Literatur erhalten. Seitdem, also seit 2004 gibt die faszinierende Schriftstellerin keine Interviews mehr. Zum einen waren die Reaktionen in ihrer Heimat auf den Preis für sie ein Schock, zum anderen erkannte sie, dass man die eigenen Sachen schwächt, wenn man sie erklärt. Claudia Müller durfte nun mit dem Einverständnis der Autorin dennoch die Doku „Die Sprache von der Leine lassen“ über ihr unglaubliches Oevre machen und ihr, nachdem der Rohschnitt fast fertig war, sogar doch noch ein paar Fragen stellen.
Sie habe immer versucht „politische Inhalte mit neuen ästhetischen Formen zu verbinden“, sagt Elfriede Jelinek in einem der vielen, aufschlussreichen Interviews aus 50 Jahren, die Müller außerdem zusammengetragen hat. Der Film folgt diesem Grundsatz auf der Bildebene, montiert assoziativ Archivmaterial aus Österreich und der Steiermark mit O-Tönen oder Texten der Autorin. Sandra Hüller, Sophie Rois, Martin Wuttke u.a. lesen im Off.. Zeitgeschichtliche Dokumente von Kurt Waldheim über Jörg Haider bis hin zu dem Massaker an Zwangsarbeitern in Rechnitz 1945 und dem Attentat 1995 auf vier Roma im Burgenland ergänzen die filmische Collage. So wird eine feinsinnige, politisch engagierte Frau gezeigt, um die sich nichtsdestoweniger viel üble Nachreden rankt.
Jelinek wurde 1946 als einzige Tochter eines psychisch labilen, jüdischen Wissenschaftlers und einer streng katholischen Mutter geboren, die aus ihr ein musikalisches Wunderkind machen wollte. Jelinek entwickelte eine Angststörung, weshalb sie nur schwer das Haus verlassen kann. Sie beschließt sich in der einzigen Kunstform zu profilieren, die nicht von der Mutter vorgegeben wurde: der Literatur. Unterdrückung der Frau, Sexismus und die Weigerung der Österreicher*innen sich ihrer NS-Vergangenheit zu stellen, waren von Anfang an die beherrschenden Themen ihrer Texte. Claudia Müller Doku macht große Lust sich noch einmal mit ihrem umfangreichen Werk zu befassen.
Foto (c) Farbfilmverleih