Foto: (c) Andreas Schlieter /DCM
Alles ist Musik
„Wie stark kann man sein? Wie allein kann man sein? Wie viele Tränen kann man weinen?“, heißt es im Song „Was würdest Du tun?“ herzerweichend über das Schicksal von Flüchtlingskindern. Freunden subtiler politischer Kommentare zur Weltlage bereitet „Bibi und Tina – Tohuwabohu total“, Detlev Bucks Abschlussfilm der überaus erfolgreichen Reihe, sicherlich Bauchschmerzen. Die kleinen Fans des schrillen Popspektakels werden sich jedoch abgeholt und an die Hand genommen fühlen. Wachsen die Kinder von heute doch in einer bedrohlichen Welt der permanenten Verunsicherungen auf, die ihnen Sorgen bereiten. Buck und sein eingespieltes Team trauen sich, diese heißen Eisen wie immer unverschämt locker anzufassen.
Endlich wieder Ferien! Und wie könnte es anders sein: Prompt stolpern Bibi (Lina Larissa Strahl) und Tina (Lisa Marie Koroll) im gewohnt idyllisch-quietschbunten Setting um Schloss Falkenstein wieder in ein Abenteuer. Beim entspannten Angeln am See wird ihnen die Suppe vom Lagerfeuer geklaut. Der Dieb wird schnell gefasst, doch ebenso rasch wird ihm verziehen: Aladin (Lea van Acken) behauptet, aus Syrien geflohen zu sein, womit ihm sofort das Mitgefühl der beiden großherzigen Freundinnen zufliegt.
Um sich verständigen zu können, schwingt Bibi einfach ihren Zauberstab, und Aladin spricht plötzlich Deutsch. Ach ja, wenn doch immer alles so einfach wäre wie in der märchenhaften Welt von „Bibi und Tina“, könnte man knallhart kritisieren. Aber ist man den Kindern nicht auch gelegentlich ein bisschen Hoffnung und Verzauberung schuldig?
Als das Trio beim Übernachten in der Scheune eines weltoffenen Bauern auf das syrische Brüderpaar Sinan (Altamasch Noor) und Karim (Ilyes Moutaoukkil) trifft, kommt schnell heraus, dass Aladin gelogen hat. In Wahrheit ist er eine „sie“, heißt Adea, stammt aus Nordalbanien und ist vor ihrer Familie geflohen, die sie zwangsverheiraten will. Onkel Igor (Albert Kitzl) und Adeas simpel gestrickte Cousins sind ihr bereits dicht auf den Fersen.
Bald gesellt sich auch noch der in Deutschland lebende Cousin Valentin zu den Verfolgern, der vor seinen lästigen Macho-Verwandten verheimlicht, dass er eigentlich schwul ist. Ja, Detlev Buck und seine Stammautorin Bettina Börgerding streifen stets beherzt jedes noch so „heikle“ Thema. Und wenn sie sich dabei auch gewisser Klischees bedienen, entkräftet die geniale Form des comicartigen Popmärchens sofort den Vorwurf des Schubladendenkens, dem man doch ganz offensichtlich den Kampf angesagt hat.
Auch die Action kommt dieses Mal nicht zu kurz: Eine wilde Verfolgungsjagd durchs gelbe Kornfeld gerät zur spannendsten Szene der ganzen Reihe – inklusive eines witzigen Kurzauftritts von „Fack ju Göhte“-Star Max von der Groeben alias Freddy. Die Musiktruppe „Tohuwabohu“ aus Mali, ein schmieriger Bauunternehmer und die Entführung von Tina vervollständigen das überdrehte Chaos, das in einer herrlich choreographierten Schlussszene zu dem fetzigen Song „Alles ist Musik“ mündet. Im wirklichen Leben passiert so etwas leider eher selten. Aber für kurzweilige 110 Minuten dürfen die lieben Kleinen und ihre erwachsenen Begleiter doch wohl mal fünfe gerade sein lassen. Hex-Hex!
Weser Kurier / Feb. 2017