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Unverhofftes Wiedersehen
So manch einer hat sich bestimmt schon mal die Frage gestellt, wie es wäre, immer jung zu bleiben und ewig weiterzuleben: Was hätte das Leben dann noch für einen Sinn? Würde man nicht irgendwann beginnen, sich zu langweilen? Wie wäre es, jung zu bleiben – während die Nahestehenden sterben? Würde es sich noch lohnen, sich auf eine Liebesgeschichte oder gar eine Beziehung einzulassen, wenn man von vornherein weiß, dass man nicht zusammen alt werden wird? Diesen durchaus interessanten Fragen widmet sich das Fantasy-Liebesdrama „Für immer Adaline“ von Lee Toland Krieger („Celeste & Jesse“).
Die titelgebende Adaline Bowman (gespielt von „Gossip Girl“ Blake Lively) trifft ihren zukünftigen Ehemann und den Vater ihrer einzigen Tochter beim Bau der Golden Gate Bridge. Nur wenig später, im Jahr 1937, verunglückt sie tödlich mit dem Auto. Doch Adaline wird durch ein – etwas lachhaftes – wissenschaftliches Phänomen, das erst im Jahr 2035 entdeckt werden wird, ins Leben zurückgeholt. Von diesem Tag an altert die 29-Jährige nicht mehr – wie eine recht nervige, in den häufigen Rückblenden agierende Off-Stimme dem Zuschauer zuraunt.
Leider passiert nun etwas, das einem Drama grundsätzlich nicht gut tut: Aufgrund des konstruiert und einfallslos wirkenden Drehbuchs von J. Mills Goodloe („The Best of Me“) distanziert man sich von Adaline und ihrem eigentlich spannenden Schicksal, das einen an Filme wie „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ denken lässt. Nach etlichen Jahren wird die kühle Schöne von ihrer Umwelt immer öfter für die Schwester ihrer eigenen Tochter gehalten. Irgendwann erwacht auch das Interesse des FBI an der Frau, die nicht zu altern scheint. Um wissenschaftlichen Experimenten zu entgehen, beschließt Adaline fortan, alle zehn Jahre ihre Identität und ihren Wohnort zu wechseln – und sich nicht mehr zu verlieben.
Mit müdem Blick für die schöne Ausstattung und die hübschen Kostüme lässt der Zuschauer diese Bilder Revue passieren, bis sich der Film an einem Zeitpunkt einpendelt, da Adaline bereits 100 Jahre alt ist und erneut die Stadt zu wechseln gedenkt. Ihre Tochter (Ellen Burstyn) ist mittlerweile äußerlich viel älter als sie und denkt über eine Alten-WG nach.
Doch dann taucht plötzlich in der Silvesternacht 2014 der moderne Märchenprinz Ellis Jones (Michiel Huisman aus „Game of Thrones“) auf: reich, kultiviert, verständnisvoll und – mit Waschbrettbauch. Adaline erliegt seinem unglaublichen Charme und fährt sogar mit ihm aufs Land zu den Schwiegereltern in spe. Erst da erwacht das Drama endlich zum Leben. Ellis‘ Vater ist nämlich kein geringerer als ihre große Liebe aus alten Zeiten: William, der von Harrison Ford ausgesprochen ergreifend gespielt wird. Er erkennt sie sofort wieder – die Frau, die ihm in den 60er-Jahren das Herz brach. Auch seine langjährige Ehefrau Kathy (Kathy Baker) begreift ziemlich schnell, dass sie im Leben ihres Mannes stets nur die zweite Geige spielte.
In beinahe jedem Schulbuch ist die Kalendergeschichte „Ein unverhofftes Wiedersehen“ von Johann Peter Hebel gedruckt. Und jede Schülergeneration ist erneut erschüttert von der Vorstellung, die große Liebe 50 Jahre später wieder zu sehen. Wenn man selbst gealtert, die Leiche des toten Geliebten aber durch Konservierung jung geblieben ist. Dieser auf immer und ewig melancholisch stimmende Kern von Erzählungen über nicht gelebte Sehnsüchte und den Fluch, aber auch den Sinn von Vergänglichkeit, ist auch in der Begegnung von Adaline mit Ellis‘ Vater enthalten. Und rettet den Film – trotz seines glatten und lächerlichen Endes.
Mittelbayerische Zeitung / Juli 2015