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Wie eine Line Koks

Regisseur Jacques Audiard erzählt in »Emilia Pérez« die Geschichte eines Kartellbosses, der eine Frau werden will

Emilia Pérez« ist ein Musical über einen brutalen Kartellboss, der sein Geschlecht angleichen lässt. Moment einmal. Ein Musical? Das kann doch nicht funktionieren, das endet bestimmt in einer unfreiwilligen Parodie! Um so viel vorwegzunehmen: Doch, es funktioniert. Und wie – wenn der Regisseur Jacques Audiard heißt, der es meisterhaft versteht, mit unterschiedlichen Filmgenres zu spielen und auch ein besonderes Talent hat, die Zuschauer*innen in das Innenleben seiner ungewöhnlichen Figuren hineinzuziehen.

2009 litt man beispielsweise bei seinem Film »Ein Prophet« mit dem 19-jährigen Malik, der zum ersten Mal verhaftet wird und im Gefängnis seelisch verroht; 2012 berührte er in »Der Geschmack von Rost und Knochen« mit einem Liebespaar jenseits aller Klischees; 2015 gewann er die Goldene Palme für sein eindringliches Thriller-Drama »Dämonen und Wunder« über tamilische Flüchtlinge, die mit der Gewalt in den Pariser Banlieus konfrontiert sind; 2018 wiederum überzeugte Audiard mit dem großartigen Neo-Western »The Sisters Brothers« um zwei schießwütige Outlaws, die unter einem gewalttätigen Vater gelitten haben. Wie man dem Erbe der männlichen Gewalt entkommen kann und welche Traumata und Verletzlichkeit sich hinter rohen Fassaden verbergen, zieht sich wie ein roter Faden durch seine Filme.

So ist es auch in seinem neuen Werk »Emilia Pérez«, das dieses Jahr in Cannes den Preis der Jury sowie einen gemeinsamen Darstellerinnenpreis gewann – da wurden unter anderem »Guardians-of-The-Galaxy«-Star Zoe Saldaña für ihre Rolle als ehrgeizige Anwältin Rita, die spanische Transfrau Karla Sofía Gascón in ihrer oscarverdächtigen Doppelrolle als Gangsterboss Manitas sowie als die titelgebende Emilia Pérez und die Popsängerin Selena Gomez für ihre Rolle als Manitas’ Ehefrau Jessi ausgezeichnet.