Die Rückeroberung der Freiheit
Oscarpreisträger Jean Dujardin spielt im Drama „auf dem Weg“ einen sturen Schriftsteller, der zu Fuß Frankreich durchqueren will
»Acht Meter reichten aus, um mir die Rippen, die Wirbel und den Schädel zu brechen. Acht Meter reichten, um 50 Jahre zu altern.« Diese bitteren Worte stammen aus dem Mund des Reiseschriftstellers Sylvain Tesson, der sich in dem mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm »Der Schneeleopard« gemeinsam mit dem Fotografen und Filmemacher Vincent Munier auf eine faszinierende Reise durch den Himalaya machte.
Was die wenigsten jedoch wissen: Jahre zuvor, 2012, fiel der 42-jährige Tesson betrunken von einer Balkonbrüstung, überlebte schwer verletzt und kämpfte sich bei einer 1300 Kilometer langen Wanderung durch ganz Frankreich mühselig ins Leben zurück.
Darüber schrieb er ein Buch, das Denis Imbert nun mit Oscarpreisträger Jean Dujardin (»The Artist«) in der Hauptrolle verfilmte, wobei er sich jedoch nicht sklavisch an die Vorlage hält.
So heißt die Hauptfigur im Film auch nicht Sylvain, sondern Pierre. Nach und nach erfährt man in Rückblenden und durch Gespräche mit Menschen, denen er auf seinem Wandertrip begegnet, seine Geschichte. Vor seinem Unfall war der erfolgreiche Schriftsteller und Abenteurer ein rechter Schwerenöter, der sich auch schon mal leichtsinnig über die Balkonbrüstung Zugang zu den Wohnungen seiner Freunde verschaffte. Zudem hatte Pierre, bevor er bei so einer Aktion einmal abrutschte und in die Tiefe stürzte, ein massives Alkoholproblem.
Sein Verleger erklärt ihn für verrückt, als Pierre ihm kurz nach dem Krankenhausaufenthalt – sich noch auf einen Stock stützend – eröffnet, dass er vorhat, die sogenannte »Diagonale du vide« zu wandern. Diese imaginäre Linie mitten durch die bevölkerungsärmsten Gebiete Frankreichs ist teilweise extrem beschwerlich. Doch Pierre will partout innerhalb von knapp drei Monaten diesen »Weg« vom südlichen Mercantour-Park über das Zentralmassiv bis hin zum Meer an die Küste der Normandie wandern.
Mit zwei Nordic-Walking-Stöcken gewappnet, marschiert der sture Abenteurer los, um »auf verborgenen Wegen der Maschinerie der Stadt und der Gefangenschaft toter Bildschirme zu entkommen«. Doch er macht bereits nach 17 Kilometer das erste Mal schlapp. Sein besonders lädiertes Bein will nicht so recht, wie er will. Doch Pierre, der glaubwürdig von Dujardin verkörpert wird, gibt nicht auf. Er schläft meist im Freien, kämpft sich verbissen durch Geröllhalden, Wiesen und Wälder.
Seine Gedanken während der Tour de Force notiert der Autor, wie gewohnt, doch diese Wanderung ist für ihn in erster Linie eine Reise zu sich selbst. Pierre hat dem Alkohol abgeschworen und denkt über sein Leben und seine Beziehungen nach. Seine Selbstreflexionen hört man des Öfteren aus dem Off: »Wenn die Angst an die Tür klopft und du den Mut hast zu öffnen, wirst du feststellen, dass niemand davorsteht.«
In beeindruckenden Cinemascope-Bildern fängt Kamerafrau Magali Silvestre de Sacy seine Reise durch wenig bis gar nicht besiedelte Gegenden Frankreichs ein. Deshalb sollte man sich den Film unbedingt im Kino anschauen.