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How Not to Have Sex 

Molly Manning Walker zeigt, was falsche Freund*innen in einer misogynen Welt anrichten können

“How to Have Sex” ist ein hübsch irreführender Titel für das Spielfilmdebüt der erst 30 Jahre alten Molly Manning Walker, die bislang hauptsächlich als Kamerafrau tätig war. Man könnte zunächst eine moderne Variante von Streifen à la “Eis am Stil” befürchten. Doch dieser Film ist wie ein trojanisches Pferd im hormongefluteten Land von Teenager*innen und zeigt einfühlsam auf, wie man eben nicht Sex haben sollte.

Das künstlerisch anspruchsvolle Coming-of-Age-Drama, das in Cannes in der Reihe “Un Certain Regard” gewann, weiß aber auch ältere Zuschauer*innen zu begeistern. Allerdings wird soviel gesoffen, dass sensiblen Menschen durchaus ein wenig blümerant werden könnte. 

Es soll der beste Urlaub aller Zeiten werden! Mit diesem festen Vorsatz sind die Engländerinnen Tara (Mia McKenna-Bruce), Skye (Lara Peake) und Em (Enva Lewis) nach Kreta geflogen, um in der Party-Stadt Malia die Last ihre letzten Schulprüfungen endgültig abzustreifen und die Sau raus zu lassen. Zudem ist es beschlossene Sache, dass die 16-jährige Tara endlich ihre Unschuld verlieren soll. Schon bald lernen sie ihre Balkonnachbarn kennen: den gutmütige Badger, seinen hohlen Kumpel Paddy und deren lesbische Freundin. Gemeinsam stürzen sie sich in ein abstoßendes Party-Nachtleben, bei dem unglaubliche Mengen von Alkohol fließen. Zur Not kotzt man und säuft dann weiter. Alles schwindelerregend eingefangen von einer Handkamera im Rausch gräßlicher Technomusik.

Äußerst subtil beleuchtet Walker dagegen die Dynamik zwischen den reizüberfluteten Partywütigen, sowie zwischen den Freundinnen. Weder die queere Em noch die auf Konkurrenz gebürstete Sky wollen wahr haben, dass ihre Freundin Tara sich unter dem Druck ihre Jungfräulichkeit verlieren zu müssen, zunehmend unwohl fühlt. (McKenna-Bruce spielt Tara unglaublich nuancenreich und wurde zu Recht für den Europäischen Filmpreis nominiert.)

Tara und Badger nähern sich ein wenig aneinander an, doch als Badger von Animateur*innen zu einem frauenverachtenden Partyspiel aufgestachelt wird, rennt Tara davon. Leider geradewegs in die Arme von Paddy, der das verstörte Mädchen zum Beischlaf drängt – von Einvernehmlichkeit kann keine Rede sein. Wie sehr diese misogyne, hypersexualisierte Gesellschaft Tara von sich selbst entfremdet, kann man jederzeit an ihrem Gesicht ablesen. Das lässt niemanden kalt. So sollte Sex – aber auch Freund*innenschaft – auf keinen Fall sein.

Foto (c) Nikos Nikolopoulos

In: Kölner Stadtrevue 12/2023