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Das Drama »Empire of Light« will zu viel erzählen – und bleibt deshalb unglaubwürdig und fragmenthaft
»Film. Nur unbewegte Bilder – mit Dunkelheit dazwischen, aber der Sehnerv hat eine kleine Schwäche. Wenn ich also 24 Bilder pro Sekunde hintereinander abspiele, dann erzeugt das die Illusion von Bewegung, die Illusion von Leben, das Dunkle seht ihr nicht mehr. Da vorn seht ihr nur das Licht«, schwärmt der Filmvorführer Norman (Toby Jones) in Sam Mendes’ Drama »Empire of Light«. Mit »da vorn« meint er den mondänen Saal des titelgebenden Kinos. Das klingt erst einmal vielversprechend: Zwar wurden schon einige Filme über die Liebe zum Film gedreht, aber nur wenige über die Liebe zum Kino.
Dabei liegt ein besonderer Zauber über diesen Zufluchtsorten mit ihren einladenden Foyers, den edlen Leuchtern, ihren purpurroten Kinosesseln, den schweren Vorhängen, die sich geräuschlos öffnen und dem magischen Staub, der im Lichtstrahl der Projektoren verheißungsvoll glitzert. Dies alles wird stimmungsvoll eingefangen von Kameramann Roger Deakins (»1917«, »Blade Runner 2049«), der bereits fünfzehn Mal für den Oscar nominiert war – und ihn zweimal bekam.
Zudem ist der Film perfekt besetzt und gespickt mit ein paar mitreißenden Songs aus dieser Zeit von The Specials über Siouxsie and the Banshees bis hin zu Joy Division. Überdies sorgen die Oscarpreisträger Trent Reznor und Atticus Ross für einen angenehm melancholischen Soundtrack. Unglücklicherweise geht es aber in Mendes’ Drama um noch viel mehr. Das Drehbuch hat der »Sky Fall«-Regisseur zum ersten Mal ganz allein verfasst. Er schrieb es während des Lockdowns und nutzte Erinnerungen an seine eigene Kindheit und Jugend in Großbritannien als Inspiration.
Die Geschichte ist demnach auch in Südengland angesiedelt, Anfang der 80er Jahre. In einem Küstenort steht der beeindruckende Kinopalast »Empire«, der allerdings schon bessere Tage gesehen hat. In dem Gebäude im Art-Deco-Stil arbeitet die unter Schizophrenie leidende Hillary (Olivia Colman, »The Crown«), die erst vor Kurzem von einem Klinikaufenthalt an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt ist. Ihre starken Medikamente haben die Mitvierzigerin abstumpfen lassen, sodass es ihr auch nicht besonders viel auszumachen scheint, dass sie von ihrem verheirateten Chef Mr. Ellis (Colin Firth) sexuell ausgebeutet wird. Gemeinsam mit den anderen Mitarbeitenden und dem Filmvorführer Norman (Toby Jones) sorgt sie für den reibungslosen Ablauf jeder Kinovorstellung. Diese Menschen sind für Hillary die einzigen Bezugspersonen.
Doch dann fängt der sanftmütige Schwarze Stephen (Micheal Ward) in dem Kino als Kartenabreißer an und Hillary fühlt sich zu dem jungen Mann hingezogen. In Stephens Gegenwart bröckelt ihre Versteinerung, deshalb zeigt sie ihm auch einmal den aufgegebenen Festsaal im obersten Stock des Kinogebäudes, der nicht mehr genutzt wird. Der Saal bietet einen fantastischen Ausblick aufs Meer und beherbergt viele Tauben, die ein- und ausfliegen.
Stephen und Hillary sind beide auf ihre Weise Außenseiter. Stephen aufgrund seiner Hautfarbe – er wird wegen des eskalierenden Rassismus in den 80er-Jahren immer öfter von Skinheads angepöbelt – und Hillary wegen ihrer psychischen Krankheit. In dem von romantischem Licht durchfluteten Festsaal beginnen die beiden plötzlich ein Verhältnis miteinander. Froh darüber, wieder etwas zu fühlen, setzt Hillary bald sogar ihre Medikamente ab und schlittert dadurch mehr und mehr wieder in eine manische Phase. Leider wirkt die romantische Beziehung zwischen den beiden jedoch völlig unglaubwürdig, obwohl beide Schauspieler alles und noch ein bisschen mehr aus diesem Skript herausholen. Mendes widmet sich seinen einzelnen Charakteren nicht genug, kann sich einfach nicht entscheiden, welche Geschichte er erzählen will, sodass die Schauspielerinnen und Schauspieler die Figuren nie wirklich zum Leben erwecken können.
Tiefer in das Innenleben Hillarys einzusteigen, wäre spannend gewesen – zumal Mendes in Interviews erklärte, dass auch seine Mutter psychisch krank war und er somit große Erfahrung auf diesem Gebiet mitbringt. Stattdessen möchte er mit beängstigenden Anekdoten aus Stephens Alltag auch vermitteln, wie sehr von Rassismus geprägt jene Zeit war, geht aber auch diesbezüglich nicht ins Detail. So wird die Geschichte von Stephens Mutter, die Einwanderin ist, als Krankenschwester arbeitet und ihren Sohn alleine erzogen hat, nur angerissen. Das Fragmenthafte zieht sich auch durch die anderen Teile des Films. So bleiben, nachdem sich der Vorhang gesenkt hat, nur ein paar perfekte Bilder und einzelne Szenen in Erinnerung, in denen Coleman und Ward die Grenzen des Skripts sprengen.
Foto (c) Searchlight Pictures