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Foto (c) PA/obs/WDR

Eine Antifaschistin der Stunde Null

Für sie sollte es bekanntlich rote Rosen regnen. Ein Porträt von Hildegard Knef, deren Leben jetzt über die Leinwände läuft.

Siebzehn Millimeter fehlten mir zu meinem Glück« – mit dieser Liedzeile beginnt das Titelstück des 1999 erschienenen letzten Albums der unberechenbaren Selbstdarstellerin namens Hildegard Knef. Am 12. März kommt das Biopic »Hilde« mit Heike Makatsch in der Hauptrolle in die Kinos. Auf der Berlinale wurde der Film mit dem Slogan beworben: »Die Seele von Nachkriegsdeutschland: die Knef«.

Als ihre Tochter Christina an ihrem zwölften Geburtstag von Knefs Maskenbildner gefragt wurde, was sie sich denn zum Geburtstag wünsche, antwortete das schlaue Kind: dass Mutti heute keine Wimpern trägt. Wer war denn nun diese Frau unter der pelzigen Wimpernmaske der Marke »dramatic«?

Geboren wird Hildegard Frieda Albertine Knef am 28. Dezember 1925 in Ulm. Ihr Vater stirbt nur ein halbes Jahr später. Mit sieben Jahren erkrankt die künftige Stehauffrau Hilde so schwer an Polio, dass sie das Laufen noch einmal lernen muss. Ihre Mutter heiratet wieder, und als Hilde zehn Jahre alt ist, wird ihr Halbbruder Heinz geboren. Der begabte Jazz-Trompeter wird 1978 an den Folgen einer Verletzung nach einer Schlägerei sterben. Hildegard Knef hat aber nicht nur ein schweres Schicksal, sondern auch viele Talente: Am Anfang ihrer Achterbahnfahrtartigen Karriere steht die Malerei. 1942 beginnt sie zunächst eine Ausbildung in der Trickfilmabteilung der Ufa. Nur ein Jahr später unterschreibt die ehrgeizige junge Frau einen neuen Ausbildungsvertrag – als Schauspielerin – bei der Ufa. Eine Schlüsselrolle spielt hierbei Else Bongers, eine bekannte Schauspiellehrerin, die ihr – genau wie später Marlene Dietrich – zur mütterlichen Freundin werden wird.

Anders aber als Marlene Dietrich, die sich konsequent vom nationalsozialistischen Deutschland abwandte und ein Filmangebot Joseph ­Goebbels’ ausschlug, suchte die junge Hildegard im Filmbusiness des Regimes ihre ganz persönliche Chance. Durch ihr Verhältnis zu dem 20 Jahre älteren Filmmanager und Goebbels-Freund Ewald von Demandowsky katapultierte sich die Jungschauspielerin in die einflussreichen Kreise des NS-Kulturbetriebs. Als ihr Geliebter zum Volkssturm einberufen wird, soll sie ihm angeblich als Soldat verkleidet an die Front gefolgt sein. Sie gerät in Kriegsgefangenschaft, ihr gelingt die Flucht, viel später wird sie sich als einen Menschen bezeichnen, der »nie gelernt hat zu leben, nur zu überleben«.

»Es ist oft in Frage gestellt worden, ob Hilde tatsächlich im Volkssturm gekämpft hat«, erzählt die britische Filmproduzentin Judy Tossell, die das Biopic »Hilde« produziert hat, im Interview. »Unklar ist auch, ob sie Ewald von Demandowsky nach dem Krieg wiedergesehen hat. Bei diesen biografischen Stellen orientieren wir uns an ihrer Autobiografie und versuchen nicht, die Frage zu beantworten, was wahr ist oder nicht.«

Als Hildegard Knef nach Berlin zurückkommt, geht sie ans Schlossparktheater und wird von Wolfgang Staudte 1946 für die Hauptrolle seines Nachkriegsfilm »Die Mörder sind unter uns« entdeckt, in dem sie – ausgerechnet – eine KZ-Überlebende verkörpert. In dieser Zeit lernt Hilde­gard Knef auch ihren ersten Ehemann kennen, Kurt Hirsch, ein amerikanischer Jude und wichtiger Film- und Theateroffizier der US-amerikanischen Besatzungsmacht. 1950, nach einem Intermezzo in Hollywood, hat Hilde ihr deutsches Comeback mit dem Film »Die Sünderin«, der einen regelrechten Kulturkampf entfacht, weil sie sekundenlang nackt zu sehen ist und sich die Liebenden zum Schluss umbringen. Wenig später scheitert ihre Ehe mit Kurt Hirsch.

Hildegard, nunmehr als anrüchige Emanze verschrien, entflieht der deutschen Wirtschaftswunder-Filmwelt: 1953 nimmt sie Cole Porters Angebot an, Hauptdarstellerin in seinem Musical »Silk Stockings« zu werden. Trotz starker Selbstzweifel – Knef glaubt, nicht singen zu können – wird das Stück ein Riesenerfolg. 1957 kehrt »the thinking man’s Dietrich«, wie sie in Amerika genannt wird, umjubelt nach Deutschland zurück. Als sie 1959 ihre Liebesbeziehung mit dem verheirateten Schauspieler David Cameron bekannt gibt, verliert sie wieder einmal die Kontrolle über ihr Image und sorgt für einen Sturm der Entrüstung in der prüden Adenauer-Ära. Fortan gilt sie als Kassengift.

Es ist der vor allem Vorwurf des Emanzenhaften, mit dem sie in Deutschland immer wieder zu kämpfen hat; über den politischen Opportunismus wurde dagegen großzügig hinweggesehen. Ziemlich erfolgreich habe sich Hildegard Knef einen »antifaschistischen Anstrich« gegeben, meint der Filmwissenschaftler Jürgen Trimborn, der 2007 eine kritische Biografie über Hildegard Knef publizierte.

Aus Geldnot heraus beginnt sie zu singen, bald schon schreibt sie ihre eigenen Texte. Sie avanciert Ende der sechziger Jahre mit ihrer rauchigen Altstimme, die nicht immer den richtigen Ton trifft, zum »greatest singer with­out a voice«, wie Ella Fitzgerald einmal über sie gesagt haben soll. Möglicherweise hat Knef das vielzitierte Bonmot jedoch selbst kolportiert, stets hatte sie einen Drang, ihr Leben dramatisch zu verdichten. Als Sängerin war und bleibt sie eine Ausnahmeerscheinung, viele ihre »hingebellten« persönlichen Chansons, die den Ängsten und Freuden der Menschen nahe kommen, berühren auch heute noch.

Erst mit 42 Jahren wird Knef Mutter, in den sechziger Jahren noch eine Seltenheit. So wird sie für ihre späte Mutterschaft angegriffen, und als sie einige Wochen nach der Geburt ihre Tournee fortsetzt, eckt sie erneut an. Sie widerspricht dem vorherrschenden Mutterbild.

1970 schreibt sie ein autobiografisches Buch, das zum internationalen Bestseller wird, »Der geschenkte Gaul«, es dauert nicht lange, und das Gerücht von einen Ghostwriter geht um. Mit dem Werk zementiert sie das Bild der unangepassten, toughen Power-Diva, als die sie so gerne gesehen werden will. Obwohl dem Buch inzwischen zahlreiche Klitterungen ihrer Geschichte nachgewiesen wurden, stützt sich der Film »Hilde« auf diese Autobiografie.

Vier Jahre später polarisiert Knef wieder die Öffentlichkeit: Sie erkrankt an Brustkrebs und schreibt anschließend über ihre Leidensgeschich­te. In einer Zeit, in der man nicht über Krebs redet, bricht sie mit einem Buch erneut ein gesellschaftliches Tabu. Im Juni 1976 wird ihre Ehe mit David Cameron, der nicht länger ihr Handlanger sein will, geschieden, es folgt der unvermeidliche Sorgerechtskampf um die Tochter. Noch im selben Jahr lernt sie ihren dritten Ehemann Paul von Schell kennen, drei Jahre später lässt sie sich liften und strickt mit ihrem öffentlichen Kampf gegen das Alter weiter an dem Bild einer Frau, die niemals aufgibt. Zwei Jahre bevor sie stirbt, spielt Hildegard Knef ihre letzte Rolle: in einem Dokumentarfilm über Hildegard Knef.

Hildegard Knef – Ein Porträt in Jungle World 3/2009