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Foto (c) 2014 Ascot Elite Filmverleih GmbH

Denn sie wissen, was sie tun

1981 wurde auf Papst Johannes Paul II. ein Attentat verübt. Er beeindruckte viele Menschen damit, dass er noch auf dem Krankenbett dem Attentäter verzieh, ihn später bei einem Besuch im Gefängnis sogar umarmte. Der irische Pater Lavelle in John Michael McDonaghs Schuld-und-Sühne-Drama „Am Sonntag bist Du tot“ ist ein ähnlich glaubensfester Vertreter seiner Zunft – auch wenn er im Gegensatz zu Karol Wojtyła nicht eine so unfehlbare Vergangenheit vorzuweisen hat. Der Ex-Alkoholiker und spätberufene Mann Gottes ist sicher kein Heiliger, wohl aber von einer anrührenden Menschlichkeit. In dem tiefbewegenden Drama muss er sich persönlich dem immensen Vertrauensverlust stellen, unter dem die Kirche seit Jahren wegen ihrer zahlreichen Missbrauchsskandale leidet.

„Vergebung wird stark unterschätzt“, sagt Vater James Lavelle, den John Michael McDonagh mit seinem „The Guard“-Hauptdarsteller Brendan Gleeson besetzte. Mit dieser Einstellung wird der Gottesmann, ähnlich wie der Sohn Gottes, bei seinem persönlichen Kreuzweg auf eine harte Probe gestellt: Auch er wird zum Tode verurteilt, gleich zu Beginn des Films, an einem Sonntag in seinem Beichtstuhl. Ein zutiefst gebrochener Mann seiner kleinen Gemeinde eröffnet dem gutherzigen Priester, dass er von einem Geistlichen ab dem Alter von sieben Jahren wiederholt missbraucht wurde. Aus Rache will er sich nun an ihm, einem unschuldigen Priester, rächen. Lavelle habe sieben Tage seine Angelegenheiten zu regeln, dann würde er ihn töten, an einem idyllischen irischen Strandabschnitt. Das Beichtgeheimnis verpflichtet den Pfarrer, den Charakterdarsteller Gleeson mit hoher Glaubwürdigkeit spielt, zum Schweigen.

Die folgende Woche wird Vater James damit verbringen, sich mit seiner kleinen Gemeinde auseinanderzusetzen. Der Glaubens- und damit einhergehende Vertrauensverlust dieser modernen Menschen hat jeden einzelnen von ihnen zu verbitterten Zynikern werden lassen, die ihrer Wut in rabenschwarzen Dialogszenen mit dem Pater freien Lauf lassen.

Da wäre zum Beispiel der wertelose Investment-Banker (Dylan Moran), dem es gefällt, sich schuldig zu fühlen, oder der Chirurg (Aiden Gillen), der angesichts des großen Leids, was ihn tagtäglich umgibt, nicht mehr an Gott glaubt. Auch der Dorfmetzger Jack (Chris O’Dowd), seine ihm untreue und deshalb geprügelte Ehefrau (Orla O’Rourke) sowie deren Liebhaber (Isaach de Bankolé) mischen bei dieser erschreckenden Todsündenparade kräftig mit. Nur eine junge Witwe, ein alter, lebensmüder Schriftsteller und Lavelles zerbrechliche Tochter Fiona (Kelly Reilly) bringen ein wenig Menschlichkeit in den Alltag des von ihm feindlich gesinnten Schäfchen umgebenen Priesters.

An Vater James‘ Begegnungen mit zwei anderen, scheinheiligen Kirchenvertretern wird überdeutlich, warum auch die Kirche Irlands an Glaubwürdigkeit verloren hat. Doch statt einer Abrechnung ist der sehr gelungene Film von Regisseur und Drehbuchautor McDonagh eher eine mitreißende Mischung zwischen überspitzter Tragikkomödie und Krimi. Die von Kameramann Larry Smith eingefangenen, wildromantischen Naturaufnahmen stehen in starkem Kontrast zu der düsteren Bestandsaufnahme der höchst unmoralischen Dorfbewohner, die in ihrer Verzweiflung ihre persönlichen Konflikte auf den gutherzigen Pfarrer übertragen. Die uneinsichtigen Gemeindemitglieder wissen genau, was sie tun. Deshalb sieht sich ihr Seelenbetreuer gezwungen, sich genau wie Jesus bereitzumachen, die Schuld seiner Mitmenschen auf sich zu nehmen. Wird ihn das gleiche, unausweichliche Schicksal wie den Sohn Gottes ereilen?

In: Radio Köln / Okt. 2014