(c) DCM / Gordon Timpen
So was von mutig gescheitert
Jakob Lass wagt mit der unkonventionellen Verfilmung von Tino Hanekamps Roman „So was von da“ erneut ein interessantes filmisches Experiment.
Es gibt Dinge, die lassen sich schwer auf eine Leinwand bannen: weder die atemberaubende Schönheit des Meeres, noch die eines Sonnenuntergangs. Genauso verhält es sich mit dem berauschend-zeitlosen Lebensgefühl während einer ausufernden Party mit Freunden. Der junge, experimentierfreudige Berliner Regisseur Jakob Lass, der stets mit reduziertem Drehbuch und nach sich selbst auferlegten Regeln arbeitet, hat es dennoch versucht. Mit „Love Steaks“ und „Tiger Girl“ hat Lass zwei der aufregendsten deutschen Filme der letzten Jahre kreiert, nun nahm er Tino Hanekamps 2011 erschienenen Party-Roman „So was von da“ zum Anlass, eine wilde Party auf St. Pauli authentisch rüberzubringen. Dafür ließ er vier Tage lang 1.200 feierwütige Statisten in einem Club in der Nähe der Reeperbahn die Sau rauslassen. Seine Schauspieler mussten inmitten dieses trinkenden, tanzenden und Drogen einwerfenden Mobs ihre Dialoge improvisieren.
Einen recht dünnen Handlungsfaden gibt es: Oskar (Newcomer Niklas Bruhn) betreibt mit seinem Geschäftsführer Pablo (David Schütter) einen Musikclub in Hamburg, der für ihn und seine Freunde der Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens ist. Doch der Club ist nicht nur hochverschuldet, sondern muss nun auch den Abrissbirnen der Gentrifizierung weichen. Zum Jahreswechsel soll dort die letzte rauschende Party stattfinden.
Zu allem Überfluss tritt Kalle (Karl-Heinz Schwensen, eine echtes Kiez-Original, das sich selbst spielt) am Silvestermorgen Oskars Tür ein und will seine Schulden eintreiben. Bis zum Abend soll der überforderte junge Mann 10.000 Euro auftreiben, ansonsten bricht Kalle ihm alle Finger und tut, was diese Rotlichtmilieu-Typen sonst noch so tun.
Und dann ist da noch Oskars Ex Mathilda (Tinka Fürst), über die er immer noch nicht hinweg ist. Schon bald steht sie leibhaftig im Club und flirtet inmitten des von Lass‘ Stammkameramann Timon Schäppi meisterhaft gefilmten Tohuwabohus heftig mit Oskar. Zudem gibt der wider Willen berühmt gewordene Rocky (Mathias Bloech) sein letztes Konzert, Elvis (Ärzte-Mann Bela B. Felsenheimer) besingt den Tintenfischmann und die flippige Nina (Martina Schöne-Radunski) verrät Oskar, dass sie einen Hirntumor hat.
Was wahr und was Wahn ist, ist in „So was von da“ nicht immer klar zu unterscheiden, und so sitzt man stocknüchtern in seinem Kinosessel und verfolgt das wild-melancholische Treiben der jungen Leute, die sich am Puls des Lebens wähnen. Doch obwohl vieles überzeugend in Szene gesetzt ist, wird man nicht so recht warm mit Oskar, seinen zugedröhnten Kumpels und deren Problemen. Lieber würde man stattdessen mit seinen eigenen Freunden die Korken knallen lassen – oder wenigstens ein spannendes Buch lesen.
Die Gastauftritte von Bela B., der den Vater von Rocky spielt, und Corinna Harfouch als seine Ehefrau und rechte Innensenatorin, die den Abriss solcher Clubs mitzuverantworten hat, können bei diesem Unwohlsein auch nicht weiterhelfen. Sie wirken in diesem Setting, als hätten sich Stummfilmstars in einen Marvel-Film verirrt – völlig aus der Zeit gefallen.
Sehnsüchtig erinnert man sich an Filme wie Sebastian Schippers „Victoria“ oder Danny Boyles „Trainspotting“, denen es so viel besser gelang, ein schwer zu greifendes Lebens- und Leidensgefühl auf die Leinwand zu bringen. Dennoch hat man nach der Dramödie das Gefühl, soeben einem „so was von mutig gescheiterten“ filmischen Experiment eines aufregenden jungen Regisseurs beigewohnt zu haben – und ist trotzdem gespannt auf Lass‘ nächsten Film.
Stimme / Aug. 2018