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Heimelige Ruhrpott-Collage
„Wie ist die Ferres denn so privat?“ und „Muss man Dich kennen“ sind die beliebtesten Fragen, die Stefan von seinen Ruhrpottkumpels gestellt bekommt. Die letzten 15 Jahre verbrachte der Zurückgekehrte recht erfolglos in München als Schauspieler. Oder doch Schausteller, wie die lokale Kioskbesitzerin sich zu erinnern glaubt? An Schenkelklopfern fehlt es Sönke Wortmanns Verfilmung von Frank Goosens gleichnamigem Roman „Sommerfest“ nun wirklich nicht, wohl aber an Stringenz. So verpasst Wortmann, der selbst aus dem Ruhrgebiet stammt und das Drehbuch verfasste, leider die Chance, eine durchgängig mitreißende Milieustudie abzuliefern.
Gerade hat Stefan (Lucas Gregorowicz) seinen Auftritt als Franz Moor in Schillers „Räuber“ auf der Bühne eines Münchner Theaters hinter sich gebracht, als er ans Telefon gerufen wird: Sein Vater ist gestorben. Noch in finsterer Räuberverkleidung eilt der Schauspieler, dessen Vertrag nicht verlängert wurde, zum Bahnhof und setzt sich in den nächsten Zug nach Bochum, um das Nötigste zu veranlassen. Nach dem Wochenende muss er dennoch wieder zurück nach München, um für eine Rolle in der Soap „Forstklinik“ vorzusprechen, die ihm seine Freundin besorgt hat, welche praktischerweise gleichzeitig seine Agentin ist.
Zunächst denkt man, es gehe in „Sommerfest“ vor allem um Stefans Unfähigkeit, richtig um seinen Vater zu trauern. Bis Stefan auf seinen alten Freund Toto (Nicholas Bodeux) trifft, ein geschwätziges Ruhrpott-Original. Spätestens im Gespräch mit dessen Omma, der patenten Kioskbesitzerin Änne, scheint sich der Schwerpunkt des Films nun auf den Nostalgietrip in die Heimat zu verlagern. Mit ihrer urkomischen Vorstellung setzt Laiendarstellerin Elfriede Fey Maßstäbe in puncto Authentizität, an die die anderen Darsteller, wie beispielsweise der großmäulige, durchaus amüsante Zuhälter-Typ Diggo (Markus John) und der typische Kleinganove Olaf (André Rohde) leider nicht herankommen. Zwar grundsympathisch, kippen die Nebenfiguren schlicht zu oft ins Karikaturhafte.
Dabei scheinen die Charaktere in diesem Ruhrpott-Sammelsorium Wortmann doch wichtiger zu sein als eine zusammenfassbare Handlung: Während die Liebesgeschichte zwischen Stefan und seiner Jugendliebe Charlie (Anna Bederke), nach der die Kumpels immer fragen, eher lauwarm erzählt wird, widmet sich der fußballverrückte Regisseur („Das Wunder von Bern“, „Deutschland. Ein Sommermärchen“) nebenbei noch in einem weiteren Handlungsstrang dem jungen Kickertalent Murat (Görkem Saglam). Dessen großer Traum – und der seiner Freunde und Bekannten – auf eine Weltfußballkarriere platzt beim titelgebenden Sommerfest, bei dem er noch einmal für seinen lokalen Stammverein aufläuft. Dadurch bekommt die Komödie einen erstaunlich bitteren Unterton, der den Zuschauer erneut ratlos zurücklässt, welche Geschichte Wortmann denn nun eigentlich erzählen wollte. Und wenn er dann im Abspann seinen Film wieder „allen Jugendlieben“ widmet, ist man vollends verwirrt.