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Ein deutsches Märchen

Vorurteile ade: In der Culture-Clash-Dramödie „Zoros Solo“ wandelt sich ein rabiater Flüchtlingsjunge zum supertoleranten Chorknaben.

„Mein Name ist nicht ‚bitch‘, du verwechselst mich mit deiner Mutter“, erwidert die deutsche Chorleiterin auf die respektlose Anrede des afghanischen Flüchtlingskinds. Eines ist Martin Buskers Langfilmdebüt „Zoros Solo“ glücklicherweise meist nicht: politisch korrekt – was ihn wohltuend von vielen Filmen, die sich mit der Flüchtlingsthematik beschäftigen, unterscheidet. Die verbalen Gefechte zwischen Andrea Sawatzki, die die mit Vorurteilen beladene Chorleiterin Frau Lehmann verkörpert, und Newcomer Mert Dincer, der den machohaften Flüchtlingsjungen spielt, gehören zweifelsohne zu den Höhepunkten des ambitionierten Films, der etwas holprig zwischen Drama und Komödie hin- und herpendelt.

Es beginnt recht dramatisch: In Zoros schmuddeligem Zimmer unter dem Dach des provisorischen Flüchtlingsheims hängt eine Landkarte, auf der der 13-Jährige den Fluchtweg seiner Familie nachgezeichnet hat. Von Afghanistan über die Türkei und weiter über Griechenland und den Balkan führte der beschwerliche Weg der Familie direkt in das spießige Herz einer schwäbischen Kleinstadt. Doch leider scheiterte Zoros Vater am ungarischen Grenzzaun, wie man in Rückblenden erfährt. Deshalb versucht sein verzweifelter Sohn – der merkwürdigerweise völlig akzentfreies Deutsch spricht -, mit allerhand krummen Geschäften an Geld zu kommen, um seinen Vater irgendwie nachzuholen.

Als der Halbstarke eines Tages mitbekommt, dass der örtliche Knabenchor der unausstehlichen Frau Lehmann zum Gesangswettbewerb nach Ungarn fährt, beschließt er, Mitglied zu werden, um seinen verletzten Vater nach Deutschland zu schmuggeln. Der Pfarrer, in dessen Kirche Frau Lehmann für gewöhnlich probt, besteht darauf, Zoro eine Chance zu geben. Allerdings fällt es Zoro, dem überzeugten Muslim mit der unerwarteten Engelsstimme, alles andere als leicht, mit der erforderlichen Inbrunst christliche Lieder zu trällern.

Radikale Wandlung

Bis es so weit ist und bevor sich allmählich sein gutes Herz zeigt, muss Zoro sämtliche Klischees über junge, männliche Muslime bedienen: So ist er anfangs nicht nur ein gewissenloser Krimineller, der auch mal mit einer selbstgebastelten Bombe ein kostbares Jesuskreuz in die Luft jagt, sondern selbstverständlich auch noch Frauenverächter, Schwulenhasser und jemand, der die Gutgläubigkeit der Deutschen ausnutzt, indem er seine traumatischen Erfahrungen stets als Totschlagargument aus dem Ärmel zaubert. Zoros Wandlung innerhalb der 90 Filmminuten zum toleranten jungen Mann, der sich für die Gleichberechtigung der Frau einsetzt und sich plötzlich vorstellen kann, mit einem Schwulen befreundet zu sein, wirkt wenig glaubwürdig.

Auch Frau Lehmann haben Regisseur Busker und sein Mitautor Fabian Hebestreit – selbst für eine halbe Komödie – zu klischeehaft gezeichnet: Sie ist eine alleinstehende, emanzipierte Frau, die Flüchtlingen zutiefst misstraut, jedoch das Herz letztlich am rechten Fleck hat. Über ihr Vorleben erfährt man zu wenig, sodass ihre Figur – trotz der herausragenden Schauspielleistung von Andrea Sawatzki – recht eindimensional bleibt. Zoros neuer Freund, der engelsblonde Chorknabe Julian (Laurids Schürmann), und die anderen deutschen Jugendlichen sind fast ausnahmslos verständnisvoll und brav – während Zoros Flüchtlingsfreunde es wiederum allesamt faustdick hinter den Ohren haben. Das könnte zu Missinterpretationen des Films führen, obwohl Busker mit seinem hübschen Running Gag der vor dem Heim kampierenden, tumben Flüchtlingshasser seinen Standpunkt klarmacht.

„Zoros Solo“ ist zweifellos unterhaltsam und immer wieder auch berührend. Wenn der Titelheld dann aber konstatieren darf: „Heimat ist da, wo Freunde sind“, dann fühlt man sich endgültig wie in einem Märchen.

„Zoros Solo“ in Prisma von Okt. 2019