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Kiffen für den Klassenfeind

Vergnügliche Satire „Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste“ von Jakob Hein

Der schreibende Psychiater Jakob Hein spinnt in seinem neuen Roman „Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste“ eine vergnügliche Geschichte rund um den sagenumwobenen „Strauß-DDR-Deal“

1983 war die DDR eigentlich pleite. Da vereinbarte ausgerechnet der damalige CSU-Vorsitzende und erklärte Kommunistenfeind Franz Josef Strauß mit dem hochrangigen DDR-Funktionär Alexander Schalck-Golodkowski einen geheimen Milliardenkredit an den Arbeiter- und Bauernstaat. Bis heute bleibt rätselhaft, warum Strauß den Kredit vermittelte, ob etwa geheime Absprachen und persönliche Machtambitionen eine Rolle spielten.

Der schreibende Psychiater Jakob Hein („Herr Jensen steigt aus“) strickt um dieses politische Mysterium eine recht amüsante Geschichte, die ein wenig wie eine wilde Mischung aus dem Wendefilm „Goodbye Lenin“ und der Kifferkomödie „Lammbock“ wirkt.

Auch Heins Hauptfigur, der stets entspannte Jungsozialist Grischa Tannberg aus Gera liebt Filme. So findet der Absolvent der „Hochschule für Ökonomie Bruno Leuschner“ als er nach Berlin zieht, um seine erste Stelle als Assistent der Staatlichen Planungskommission anzutreten, schon bald Anschluss an eine Art Filmclub. Mit dessen Mitgliedern schaut er sich hochvergnügt seltene Kopien internationaler Streifen an.

Auf seiner Arbeitsstelle ist es dagegen zunächst alles andere als spannend. Jungaktivist Grischa wird von seinem Vorgesetzten Ralf Burg aufgefordert, sich im „kunstvollen Warten“ zu üben, denn das Bruderland Afghanistan, für das sie zuständig sind, besitzt leider keine Tauschwaren: „Die hätten von uns gern Bücher und Maschinen und Fahrzeuge und Konsumgüter und Dünger und alles, was wir sonst noch produzieren. Aber sie haben: nichts“, gibt ihm sein Chef zu verstehen. 

Doch der pfiffige Grischa heckt einen subversiven Plan aus, wie man die afghanischen Bauern, die nichts außer Schlafmohn und Cannabis anzubieten haben, unterstützen kann, gleichzeitig die leeren DDR-Kassen wieder füllt, sowie zudem noch die westdeutsche Jugend für den Geist des Sozialismus gewinnt. Er schlägt vor, dem Bruderland einfach Cannabis abzunehmen, ihn als „Medizinalhanf“ auszugeben und für harte D-Mark am Grenzübergang an Westler zu verkaufen.

„Vielleicht ist der Stoff auch deshalb in den kapitalistischen Ländern so verteufelt, weil sich die Menschen unter seinem Einfluss fühlen, als lebten sie schon im Sozialismus“, gibt Grischa kess kurz darauf den zunächst äußerst skeptischen Kollegen von der Planungskommission zu bedenken. 

Nur wenige Woche später begeben sich Grischa, die attraktive Biologin Dr. Frühling, sein Vorgesetzter Burg und die stramme Genossin Oberleutnant Siebert inkognito nach Kabul, um dort Cannabis einzukaufen und in einer amüsanten Szene die Ware auch zu testen. Stasi-Offizierin Siebert, die selbst enthaltsam geblieben ist, möchte später natürlich wissen, wie das Zeug gewirkt habe. „Es ist das Gefühl einer großen Verbindung mit der Jugend der Welt im Geiste des Sozialismus,“ schwärmt ihr nun auch Burg parteikonform vor.

Schließlich eröffnen sie testweise an dem Grenzübergang an der Sandkrugbrücke einen „Deutsch-Afghanischen Freundschaftsladen“. Nach einer kurzen Anlaufzeit, in der sich in der ganzen BRD herumspricht, dass man dort ganz legal allerfeinsten Schwarzen Afghanen kaufen kann, rennen die Wessis ihnen die Bude ein. „Es war das reinste Chaos“ schildert Hein in seinem Schelmenroman. „Täglich kam nun auch die Polizei zum Grenzübergang. Es war natürlich unvermeidlich, dass auch sie irgendwann Wind von der Sache bekommen hatte. Aber sie traute sich nicht den ganz großen Zugriff, das musste politisch viel weiter oben gelöst werden.“

Nach vielen weiteren amüsanten Entwicklungen kommt es zu einem Treffen auf höchster Ebene in Bayern. Selbst Wirtschaftsminister Lambsdorff und Stasichef Erich Mielke geben sich die Ehre und wiegen westdeutsche gegen ostdeutsche Staatsräson ab. Unter unfreiwilligen Haschischeinfluss kommt es zu jenem sagenumwobenen Milliardendeal, der tatsächlich stattgefunden hat.

Jakobs Heins ausufernder Fantasie scheint kaum Grenzen zu kennen, eine brisante Liebesaffäre zwischen der ostdeutschen Biologin Dr. Frühling und einer ebenso tüchtigen Referendarin im Bonner Ministerium für innerdeutsche Beziehungen flicht er auch noch in diese vergnügliche Erpressergeschichte ein. Man hört ihn förmlich abends an seinem Schreibtisch leise vor sich kichern, nicht nur als er den perfiden Plan Grischas ausheckt, der die Bonner letztlich in eine politische Zwickmühle bringt: Da sie die Zonengrenze nicht anerkennen, können sie die Haschischkäufer bei ihrer Rückkehr in westdeutsches Territorium auch nicht kontrollieren, andererseits würden sie die Droge legalisieren, wenn sie untätig blieben.

Den Charakteren des Psychiaters Hein dagegen fehlt es jedoch erstaunlicherweise an psychologischer Tiefe, sie wirken wie Figuren auf einem skurrilen Schachbrett. Wer sich nicht daran stört, wird an dieser überdrehten Geschichtssatire große Freude haben. Womöglich aber könnte die Verfilmung dieses temporeichen Ost-West-Romans mit seiner originellen Prämisse, seinen pointierten Dialogen und im Kern interessanten Figuren der Geschichte mehr Tiefgang verleihen.

Foto (c) © picture-alliance/ ZB

In: Die Rheinpfalz von Mai 2025

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