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Foto (c) 2015 U5 Filmproduktion GmbH & Co. KG / Barnsteiner Film

Wann endlich ist der Film zu Ende?

Die überkonstruierte Tragikkomödie „Wann endlich küsst du mich?“ von Julia Ziesche kommt zwar nur gelegentlich über Vorabendserien-Niveau heraus, weckt jedoch durchaus neugierige Erwartungen auf die nächsten Werke der Regiedebütantin.

Wann endlich küsst Du mich?“ schreibt Mascha (Marie Rosa Tietjen) in großen Lettern auf den Gehsteig vor dem Haus ihres Ex-Freundes (Joel Ameloot). Sie hat ihn zwar verlassen, doch nun hätte sie ihn gern wieder. Vor wenigen Tagen gab sie ihm noch mit den Worten: „Ich habe das Gefühl, dass der Halt, den Du mir gibst, mich bremst“ den Laufpass. Um sich besser auf ihre Masterarbeit konzentrieren zu können. Dumm nur, das zu Hause, im Leben der Mutter und der Schwester, auch alles aus dem Ruder läuft. Willkommen in der kompliziert-gestörten Lebenswelt der Frauen der Familie Rosemeyer, einer Kopfgeburt der Regiedebütantin Julia Ziesche.

Doris (Olivia Grigolli) wähnt sich endlich am Ziel ihrer Träume: Mit 48 Jahren bekommt die Schauspielerin, die ihre beiden Töchter unter großen Entbehrungen weitgehend allein groß gezogen hat, endlich die Chance, die Hauptrolle in einer Fernsehserie zu spielen. Die Rolle einer hochrangigen Politikerin wurde ihr von Thomas (Alex Brendemühl), dem Stiefvater ihrer Kinder, auf den Leib geschrieben. Doch dann erhält Doris von ihrer Frauenärztin eine schockierende Nachricht: Sie ist noch einmal schwanger geworden!

Während ihr Gatte sich wahnsinnig auf das gemeinsame Baby freut, sogar ohne Doris‘ Wissen das Drehbuch entsprechend umschreibt, will Doris das Kind eigentlich auf keinen Fall behalten. Wie in einer schlechten TV-Soap wird aber zeitgleich auch noch ihre minderjährige Tochter Viola (Luise von Finckh) von ihrem nervig verstockten Freund Jo (Dennis Mojen) schwanger.

Im Gegensatz zu ihrer dauergestressten Mutter, die erschreckend wenig Einfühlungsvermögen für ihre Töchter aufbringt, glaubt die 16-Jährige zunächst, ihre Zukunftspläne auch mit Baby problemlos umsetzen zu können: Wie die Mama will sie Schauspielerin werden. Doch nach und nach erkennt sie, dass der unreife Vater ihres Kindes nicht wirklich zu ihr steht – und sie letztlich mit dem Säugling alleine dastünde. Die berührende Kneipen-Szene, in der sie dies letztgültig begreift, gehört zu den wenigen gut geschriebenen und inszenierte in diesem recht blutleeren Film.

Zwei Generationen von Frauen, zwei ungewollte Schwangerschaften, eine quälend zähe Familienkonstellation – das über weite Strecken schwerfällige und spannungsarme Drehbuch von Julia Ziesche hätte dringend noch einer Überarbeitung bedurft. Auf der anderen Seite beweist die Jungregisseurin Talent bei der Schauspielerführung und eine gewisse Originalität bei der Inszenierung. Hervorzuheben sind dabei eine Handvoll verspielte, irreal wirkende Begebenheiten, sowie immer wieder eingeschobene Frontalaufnahmen der leidgeprüften Pärchen. Zwar bremsen diese den ohnehin zähen Erzählfluss noch mehr, schenken der Tragikkomödie jedoch immer mal wieder eine gewisse Leichtigkeit, die sie dringend benötigt.

Auch die Cutterinnen Daniela Hoelzgen und Gloria Zettel tragen durch einfallsreiche Montagen dazu bei, dass man trotz des bleischweren Beziehungsreigens, in dem alle Männerfiguren befremdlich blass bleiben, bis zum bittersüßen Ende dranbleibt. So denkt man zwar gelegentlich boshaft: „Wann endlich ist der Film zu Ende?“, ist aber dennoch gespannt auf den nächsten Film der jungen Regisseurin. In der Hoffnung, dass sie einen Co-Autor zurate zieht und mehr ihren versponnenen Neigungen folgt.

Stimme / Okt. 2017