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Foto: (c) Universum/ SquareOne

Halb Zombie, halb Kind

Colm McCarthys unberechenbares Zombie-Drama konfrontiert den Zuschauer mit moralisch-philosophischen Fragen.

Melanie, das titelgebende Mädchen aus „The Girl With All The Gifts“, wird als liebenswürdige, hochintelligente Zehnjährige eingeführt, die ihre Lehrerin vergöttert, überaus höflich ist und alles richtig machen will. Warum um Himmels willen muss dieses bezaubernde Wesen sein so gar nicht kindgerechtes Dasein in einer finsteren Zelle fristen, und was sind das für verrohte Erwachsene, die Melanie während des Unterrichts an einem Rollstuhl festschnallen und sie schlimmer als ein Tier behandeln?

Melanie, die schlichtweg atemberaubend von Newcomerin Sennia Nanua gespielt wird, wächst auf einer Militärbasis auf. Sie gehört zur zweiten Generation sogenannter „Hungries“ – sie wurde bereits im Mutterleib von einem aggressiven Pilz infiziert, der die Menschen zu Zombies mutieren ließ. Doch insbesondere Melanie unterscheidet sich von den anderen „Hungries“: Da ihr Verstand noch nicht infiziert wurde, ist sie in der Lage, ihren Heißhunger auf Fleisch bis zu einem gewissen Grad zu kontrollieren. Deshalb bekommt sie gemeinsam mit ein paar anderen „Zombiekindern“ Unterricht, um herauszufinden, ob bei ihnen tatsächlich noch menschliche Emotionen vorhanden sind, oder ob sie diese nur simulieren.

Zudem experimentiert Wissenschaftlerin Dr. Caldwell (Glenn Close) ein paar Türen weiter an den extrem gefährlichen Kindern – in der Hoffnung, bald einen Impfstoff gegen die Seuche zu finden. Melanie entkommt Caldwells gnadenlosem Skalpell nur knapp, als die Bunkeranlage von einer Horde Hungries überrannt wird. Gemeinsam mit ihrer Lieblingslehrerin Miss Helen Justineau (Gemma Arterton), die längst mütterliche Gefühle für das Mädchen entwickelt hat, Dr. Caldwell, zwei Soldaten und dem Melanie gegenüber äußerst skeptischen Sergeant Parks (Paddy Considine) gelingt ihr gerade noch die Flucht.

Anders als bei genreüblichen Zombiefilmen, die kürzlich erst durch die ebenfalls facettenreiche Erfolgsserie „The Walking Dead“ einen neuen Hype erfahren, erwächst die Spannung dieses Films nicht nur aus den Begegnungen mit hirnlosen Untoten, sondern auch aus dem vielschichtigen Grundsetting: Auf der einen Seite die eigentlich Zukunft und Hoffnung verkörpernde Kleine, die alles tut, um von der Gruppe akzeptiert zu werden – allerdings von bestialischen Fressimpulsen heimgesucht wird. Melanies unschuldig-blutverschmiertes Gesicht trifft den Zuschauer doppelt hart, da sie ein Kind ist, dem er bereits all seine Sympathie geschenkt hat.

Auf der anderen Seite gibt es die von der Zombie-Apokalypse traumatisierten Erwachsenen, die sich mehr oder weniger gezwungen fühlen, das Mädchen nicht als menschliches Wesen anzusehen – und dennoch auf ihre Hilfe angewiesen sind. Sie entwickelt sich auf dieser Reise beständig weiter, nur die eiskalte Wissenschaftlerin Dr. Caldwell lässt sich in ihrem Hass nicht beirren und plant nach wie vor, Melanies Leben zu opfern. Vielleicht hätte sie sich mal auf ihren Kollegen Charles Darwin besinnen sollen, der in seiner Evolutionstheorie festhielt, dass aus dem „Kampf der Natur, aus Hunger und Not“ naturgemäß die „Erzeugung immer höherer, vollkommener Wesen“ hervorgeht. Doch so findet der Film konsequent zu seinem überraschend-genialen Ende, das dem Zuschauer womöglich viele grüblerische Nächte bescheren wird.

msn Unterhaltung / Feb. 2017