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(c) 2018 One Day Films / Enos Olik

Kino bedeutet Hoffnung

Die auf der Berlinale gezeigten Kinderfilme der Sektion “Generation”, die leider später nur selten auch ihren Weg in die heimischen Kinos finden, nehmen die jungen Zuschauer ernst und muten ihnen zu Recht mehr zu, als die meisten Mainstream-Kinderfilme. Das vom diesjährigen Jury-Präsidenten Tom Tykwer mitproduzierte afrikanische Drama „Supa Modo“ ist ein wunderbares Beispiel dafür.

Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind groß zu ziehen“, besagt ein afrikanisches Sprichwort. In dem herzerwärmenden Drama „Supa Modo“ von Likarian Wainaina, das auf der diesjährigen Berlinale von der Kinderjury der Sektion „Generation“ mit einer „Lobenden Erwähnung“ bedacht wurde, muss sich darüberhinaus eine ganze Dorfgemeinschaft zusammenraufen, um einem neunjährigen, sterbenskranken Mädchen ihren letzten Wunsch zu erfüllen: Einmal in einem Superhelden-Film mitzuspielen!

Zu Beginn lässt Wainaina, der sich das Filmemachen zunächst selbst mit Hilfe der „YouTube-Universität“ beibrachte, die kahlköpfige Jo auf der Kinderkrebsstation mit leuchtenden Augen einen Superhelden-Streifen anschauen. Zu gerne wäre die – mit beeindruckender Intensität von der erst elfjährigen Schauspieldebütantin Stycie Waweru verkörperte – Jo wie Jackie Chan, ihr großes Idol, oder lieber doch gleich wie der „Man of Steel“, der im Gegensatz zu ihr unzerstörbar ist. 

Sofort ist man als Zuschauer von dem Zauber dieses auf Cinemascope gedrehten Films eingenommen: Der als Juror in mancherlei Augen nicht gerade instinktsichere Tykwer, der mit seiner Frau Marie Steinmann-Tykwer 2008 das „One Fine Day Films Project“ zur Förderung afrikanischer Filmemacher gegründet hat, bewies in diesem Fall allerdings ein gutes Gespür, indem er diesen – von einem vierköpfigen Drehbuchteam weiterentwickelten – Stoff unterstützte. 

Im vergangenen Jahr hat es das ebenfalls berührende, afrikanische Drama “Félicité” von Alain Gomis sogar in den Wettbewerb geschafft und wurde mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Bleibt zu hoffen, dass dieser vielversprechende Filmkontinent im nächsten Jahr auch wieder im Ringen um die Bären dabei ist. 

In „Supa Modo“ nun holt Jos Mutter Kathryn (Marrianne Nungo) kurz nach der Eröffnungsszene ihre Tochter unter Protest ihrer großen Schwester Mwix (Nyawara Ndambia) aus dem Krankenhaus ab. Jo hat nur noch zwei Monate zu leben – und die soll sie nicht unter ihren sterbenskranken Freunden verbringen. 

Doch Kathryn meint es zu gut mit ihrer Fürsorge. Unter all den mütterlichen Wärmflaschen und Bettdecken daheim droht Jo zu ersticken. Wenn die Kinder dann auch noch unter ihrem Fenster das merkwürdige, glatzköpfige Mädchen als „Hexe“ bezeichnen, bleibt Jo nur die Flucht in ihre Tagträume, in denen sie als ihr Superhelden-Ego „Supa Mondo“ sogar durch die Lüfte fliegen kann! 

Das bringt ihre große Schwester auf die Idee in Jos letzten kostbaren Tagen auf Erden deren Fantasien Wirklichkeit werden zu lassen: Ein Salzstreuer, an den sie einen unsichtbaren Bindfaden gebunden hat, wird plötzlich dank Jos „telekinetischer Kräfte“ über den Tisch geschoben, Kinder, die von Mwix entsprechend instruiert wurden, fallen einfach um, als Jo beim Fußballspielen aufs Tor losstürmt. Auch vermag Jo alias Supa Modo auf einmal auf dem Marktplatz die ganze kenianische Dorfbevölkerung „einzufrieren“, um in aller Seelenruhe einen Taschendieb zu stellen. 

Von da an ist es nur noch ein kleiner Schritt, um dem tapferen Mädchen ihren Herzenswunsch zu erfüllen, einmal in einem Film eine Superheldin zu verkörpern. Obendrein wächst die Dorfgemeinschaft so noch weiter zusammen.

Gemeinsam mit dem Kinobesitzer Mike, der eine Kamera besitzt – und nachdem man Jos Mutter von dem Plan überzeugt hat – machen sich alle mit Begeisterung daran, mit einfachen Mitteln einen bezaubernden Superhelden-Streifen zu drehen. So wird der Film zu einer berührenden Parabel über die Kraft der Fantasie und des Kinos. Besiegen können auch diese den unvermeidlichen Tod nicht, aber sie können der Ewigkeit einen winzigen Funken unsterblicher Hoffnung abringen.

In: Rheinpfalz vom 5. März 2018