Gegen Bio-Biedermaier, Körperkult und Karriereoptimierung
Gary Flanell legt mit „Stuntman unter Wasser“ ein herrlich anarchistisches Kurzgeschichtenbändchen vor…
Punk ist wohl doch noch nicht ganz dead, freut man sich, wenn man den Kurzgeschichtenband »Stuntman unter Wasser« von Gary Flanell durchgeschmökert hat. Punkig zum Beispiel ist die Geschichte über einen Mann, der seinen Job kündigt, um sich mal wieder gründlich auszuschlafen. Sechs Monate lang. »Verschwende deine Phantasie« ist das Stichwort, das einem zu den Geschichten des Allround-Journalisten, Punkrockmusikers und Herausgebers eines Fanzines in den Sinn kommt. Ob es sich nun um einen Seehund handelt, der sich für 25 Euro in eine geschäftstüchtige Seejungfrau verwandelt und einem abgetakelten Fischer nicht ganz folgenlos einen bläst, ob ein vom Leben gebeutelter Landmaschinenvertreter auf Ufos trifft oder ein geheimnisvoller Wanderer bei einer Kohlmahlzeit über das Leben sinniert: Flanells Geschichten scheren sich nicht um Konventionen, ihnen ist nichts peinlich. Die schnöde Wirklichkeit des abgefuckten Berliner Alltags, auch wenn sie mehr als aufmerksam beobachtet ist, genügt dem Autor nicht. Deshalb schmückt er sie gerne noch ein bisschen aus und der Leser begibt sich mit ihm in eine Art Delirium-tremens-Dauerzustand.
Wer in Zeiten von Bio-Biedermaier, Körperkult und Karriereoptimierung immer noch gerne die Geschichten von Charles Bukowski zur Hand nimmt, dem wird dieses Bändchen mit dem mehr als gelungenen Coverfoto gefallen. Dream on, Dude.
Gary Flanell: Stuntman unter Wasser. Edition Subkultur, Berlin 2014, 130 Seiten, 11 Euro
Gary Flanell / Stuntman unter Wasser / Jungle World vom 17.7.2014