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Foto (c) Letizia Battaglia 

Mit den Waffen einer Fotografin

Die Fotos, die ich nie geschossen habe, schmerzen mich am meisten“, sagt die inzwischen 84-jährige Mafia-Fotografin Letizia Battaglia im Interview mit der Filmemacherin Kim Longinotto. Zu deren bekanntesten Werken zählt etwa der halbdokumentarische Spielfilm „Pink Saris“, der von einer indischen Frauenrechtlerin  handelt, und eine Dokumentation über eine ehemalige Prostituierte, die mit Hilfe der von ihr mitgegründeten, titelgebenden Stiftung „Dreamcatcher“ jungen Frauen beim Ausstieg aus der Prostitution hilft.

In den Dokumentarfilm „Shooting the Mafia“ wendet sich Longinotto nun einer weiteren weiblichen Rebellin zu, die die Cosa Nostra in Sizilien unerschrocken mit ihrem Fotoapparat bekämpfte und sich ihr Leben lang gegen die Herrschaft der Männer zur Wehr setzte.

In intimen Interviews erzählt die rothaarige Dame davon, wie sie in einem streng patriarchalen System aufgewachsen ist. Mit 16 heiratete Battaglia, zog drei Töchter auf – die im Film leider nicht zu Wort kommen – und begann mit 40, nach ihrer befreienden Scheidung, als Fotojournalistin zu arbeiten.

Die Kamera habe ihr Leben verändert, erzählt sie. In Palermo begann sie 1974 für die linke Zeitung „L’Ora“ zu arbeiten. Für diese fotografierte sie auch das erste  Mordopfer der italienischen Mafia und beschloss, den Kampf gegen die ganz Sizilien kontrollierende Cosa Nostra und ihren „Code of Silence“ aufzunehmen. Unter ständiger Lebensgefahr machte sie bis heute um die 600.000 künstlerisch anspruchsvolle Schwarzweiß-Fotos, eilte bis zu fünf Mal am Tag zu Tatorten, fotografierte aber nicht nur diese, sondern auch die Familienmitglieder der Mordopfer und ihre vor Schmerz verzerrten Gesichter, nahm mit versteckter Kamera Porträts von Mafiabossen auf und fotografierte nicht zuletzt die Spuren der Verwüstung, die ihr Treiben in der sizilianischen Gesellschaft hinterliess.

Longinotto zeigt in dem Film einige von Battaglias prämierten Fotos. Es sind Bilder, die einer romantisierten Vorstellung von der italienischen Mafia endgültig den Garaus bereiten.

Die Regisseurin interessiert sich auch für die andere Seite der Geschichte einer weiblichen Befreiung: In Interviews kommen eine ganze Reihe von Liebhabern von Battaglia zu Wort, die sichtlich immer noch von ihrer charismatischen Persönlichkeit fasziniert sind.

Im letzten Drittel des Films sehen wir Material von den Prozessen des die Mafia  bekämpfenden Richters Giovanni Falcone, der Opfer eines Autobombenattentats wurde, ebenso wie zwei Monate später sein Freund und Kollege Paolo Borsellino – bewegendes Archivmaterial, das aber den Erzählfluss stört.

„Shooting the Mafia“ in nd von Feb. 2019