Foto (c) Studiocanal
Mutiger Filmgenre-Mix
Die fünfte Regiearbeit von Victoria-Regisseur Sebastian Schipper beginnt wie ein Roadmovie, kippt dann in ein Drama und endet in einem fast dokumentarischen Streifen. Das stört zwar hin und wieder den Erzählfluss, verleiht dem Film aber eine nachhaltige Authentizität. Kameramann Matteo Cocco setzt die Geschichte bildlich so um, dass sich der Film, der von Marokko über Spanien nach Frankreich führt, am Ende anfühlt, als sei man nur einmal um den Block gefahren. Entscheidend ist nämlich die innere Reise, die zwei haltlose 18-jährige antreten: Der führerscheinlose Brite Gyllen („Dunkirk“-Star Fionn Whitehead) aus London klaut während des gemeinsamen Familienurlaubs den Caravan seines Stiefvaters, um seinen leiblichen Vater in Frankreich aufzusuchen. Unterwegs nimmt er den Kongolesen William (Stéphane Bak) mit, der nicht nur richtig Auto fahren kann, sondern auch in dieselbe Richtung will, da sein älterer Bruder in Calais verschollen ist.
Die Reise schweißt die beiden, die sich in vielem ähnlich sind, zusammen, obwohl der privilegierte Gyllen und der Refugee William aus zwei scheinbar völlig verschiedenen Welten stammen. Die jungen Männer werden glaubwürdig von den beiden Nachwuchsschauspielern verkörpert, nur Moritz Bleibtreu, der einen duschgeknallten Hippie spielt, agiert leider überzogen.
Zweifelsohne hat der merkwürdige Filmgenre-Mix seine Längen, spannend daran ist jedoch, dass die Flüchtlingsthematik lediglich im Hintergrund mitschwingt, bis sie ihre Protagonisten und die Zuschauer*innen in der harten Realität der Refugees in Calais einholt.
In: Missy Magazine von 5/2019