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Foto: (c) Salzgeber

Wann ist ein Mann ein Mann?

Brüste wegbinden, selten lächeln, Raum nehmen: Der Dokumentarfilm „Man for a day“ zeigt Frauen, die für ein Experiment den Rollenwechsel wagen. Denn auch Kerlsein kann man lernen.

„It’s a man’s world“, sang James Brown 1968. „Wann ist ein Mann ein Mann“, fragte sich im Jahre 1984 Herbert Grönemeyer. 2012 stellt der humorvolle Dokumentarfilm „Man for a day“ von Katarina Peters erneut die spannende Frage, ob Männer in dieser Welt immer noch mehr Optionen haben und wie geschlechtliche Identität eigentlich kreiert wird.

Die Regisseurin, die 2005 mit ihrer Doku „Am seidenen Faden“über den Schlaganfall ihres Ehemannes aufrüttelte, begleitete ihre langjährige Freundin, die New Yorker Gender-Aktivistin Diane Torr, eine Woche bei ihrer Arbeit.

Seit über 20 Jahren gibt die sympathische Drag-King-Performerin Diane Torr Workshops für Frauen, in denen sie ausprobieren können, was den Mann zum Mann macht. Auch im vergangenen Jahr trieb es einige neugierige Berlinerinnen in Torrs „Versuchslabor“.

Jede der aufgeschlossenen Frauen hat ihre eigenen Motive und Erwartungen an das Seminar. Unter den recht unterschiedlichen Teilnehmerinnen fällt besonders die kesse, mehrfache Miss-Wahlen-Gewinnerin Susann auf. Für die junge Frau sind Männer „ein großes Buch mit Fragezeichen“. Nur eines glaubt sie aus bitterer Erfahrung zu wissen: Dass frau das männliche Ego nicht verletzen darf.

Einfühlsam dokumentiert Peters ihre mühevolle, aber zuweilen auch sehr spaßige „Mannwerdung“: Bevor die „Männer für einen Tag“ zum ersten Mal auf die Straße dürfen, müssen sie sich bei der spielerischen Rückverwandlung in einen Einzeller einmal radikal fragen, ob Geschlechteridentität womöglich gar nicht angeboren ist.

Nachdem auf offener Straße ein Mannsbild ausgeguckt wurde, dass sich zu imitieren lohnt, beginnt die eigentliche Arbeit: Brüste wegbinden, Penisherstellung, Biografie ausdenken … und die Körpersprache der Männer kopieren: Nur sehr selten lächeln, sich Raum nehmen, am Ende des Satzes nie fragend nach oben gehen, die Augen niemals ohne den Kopf bewegen.

Erstaunt stellt man fest: Es sind nicht nur die Machos unter den Männern, die sich dieser unbewussten Gesten bedienen! In den Chefetagen großer Firmen sind diese Ausdrucksformen der Macht nach Torr immer noch unverzichtbar. Aber der Drag-King-Pionierin geht es nicht darum, Rollenmuster von Männern lächerlich zu machen, sondern diese, aber auch jene der Frauen zu hinterfragen und Freude am Spiel mit tradierten Geschlechterrollen zu wecken. Und genau das macht ihre Arbeit, die von Peters respektvoll in Szene gesetzt wird, zu einem sehr erfrischenden Denkanstoß.

Man for a Day / Stern vom 19.7.2012