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Foto: © Polyband

Der Fluch des Käpt’n Jack Sparrow

Der unvergleichliche Käpt’n Jack Sparrow aus den erfolgreichen „Fluch der Karibik“- Filmen, die sich auch bei jüngeren Schulkindern größter Beliebtheit erfreuten, hängte die Messlatte für alle kommenden Piratenfiguren gewissermaßen an das Topp – den höchsten Punkt eines Schiffes. Dennoch scheuen sich die norwegischen Regisseure John Andreas Andersen und Lisa Marie Gamlem nicht, in ihrer Realverfilmung „Käpt’n Säbelzahn und der Schatz von Lama Rama“ mit einem Piratenkonkurrenten des unerreichten Johnny Depp die Kinoleinwand zu kapern. Schließlich ist ganz Skandinavien bereits verrückt nach Säbelzahn, der vor 25 Jahren in den Büchern von Terje Formoe erstmals auftauchte. Mittlerweile treibt er in etlichen Computerspielen, Theaterstücken, einer eigenen Fernsehserie und einem ihm gewidmeten Vergnügungspark sein Unwesen.

Doch Drehbuchautor Lars Gudmestad erzählt die Geschichte, die auch ein wenig Bullerbü-Charme atmet, aus der Sicht des elfjährigen Pinky (der 15-jährige Vinjar Pettersen in seiner ersten Kinohauptrolle). Mit seinem süß-rot-weiß gestreiften Ringelpulli und freundlichen Gesicht ist er sicher zu harmlos für kleine „Fluch der Karibik“-Fans, aber Kinder im Vorschulalter werden ihn bestimmt mögen. Nichts wünscht sich das Waisenkind sehnlicher, als Schiffsjunge bei dem beliebten Freibeuterkapitän Säbelzahn zu werden.

Seine erfrischend beherzte Freundin Ravn (Sofie Ramirez Bjerke), die keinem Mädchenklischee entspricht, unterbreitet ihm gute Neuigkeiten: Säbelzahn hat auf seiner Fahrt zu den sagenumwobenen Schatzkammern des Königreichs Lama Rama soeben in ihrem Heimatdorf Zwischenstopp gemacht, um einen neuen Schiffsjungen zu rekrutieren. Pinky sieht seine Gelegenheit gekommen.

Dummerweise kann der pfiffige Junge nicht schwimmen, was er bei dem Auswahlverfahren jedoch unter Beweis stellen müsste. Doch es kommt ohnehin alles anders: Eine unsympathisch-niederträchtige Piratencrew unter Leitung des barschen Björn (Fridtjov Såheim) entführt das Schiff des Käpt’n Säbelzahn – die von den Produktionsdesignern liebevoll entworfene „Dark Lady“. Dabei wird versehentlich auch Pinky entführt, der sich heimlich auf das Schiff geschlichen hat.

Der stets gewöhnungsbedürftig kalkweiß geschminkte Käpt’n Säbelzahn, der leider auch charakterlich recht blass bleibt und sich nicht einmal mit Kapitän Efraim Langstrumpf oder Wickies Vater Halvar messen kann, nimmt sogleich die Verfolgung der Halunken auf. Mit Pinkys Hilfe erobert er sein Schiff zurück. Doch Säbelzahn weigert sich aus unerfindlichen Gründen, die Leistung des Jungen anzuerkennen und ihn womöglich gar zum Schiffsjungen zu ernennen. Bildlich unterstützt von einer recht hübschen Animation, segelt die „Dark Lady“ nun zum Palast von Lama Rama, der einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht entsprungen sein könnte.

Mit Hilfe des ersten Maats Langemann (Odd-Magnus Williamson) und der ebenfalls angenehmerweise keine Frauenklischees bedienenden Rosa (Pia Tjelta) will sich die Crew in den Palast des Königs von Lama Rama schmuggeln. Der humorversessene König Rufus (Anders Baasmo Christiansen), der dem hörbar ambitionierten Soundtrack auch einen freundlich-flotten Song beisteuert, ist eine recht interessante Figur. So weiß man nicht recht, ob er wahnsinnig oder weise ist. Bemerkenswert ist auch, dass seine Palastgarde wiederum von einer Frau befehligt wird.

Wenn König Rufus jedoch pädagogisch recht wertvoll behauptet, das Lachen sei der größte Schatz auf Erden, will man ihm das aufgrund seiner prall gefüllten Schatzkammern nicht so recht abnehmen. Und so schippert der Film, der unbedarften Vorschulkindern sicher einige interessante Wendungen bietet, seinem Ende entgegen. Im großen Finale wartet letztlich ein harmloser, unblutiger Säbelkampf. Vom Witz und Tempo der ersten Jack-Sparrow-Abenteuer hat sich der Film inzwischen jedoch schon tausende Seemeilen weit entfernt …

NWZ / Mai 2015