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Kampf um Freiheit und Liebe

Saim Sadiqs Ensemblefilm nimmt Geschlechter- und Rollenzuschreibungen in Pakistan aufs Korn

Homosexualität ist in Pakistan strengstens verboten. Das dritte Geschlecht war seit 2018 offiziell anerkannt, doch das Gesetz wurde dieses Jahr von einem Schariagericht gekippt. Ein Grund mehr, sich Saim Sadiqs großartigen Debütfilm »Joyland« anzuschauen, der nicht nur die tragische ­Lie­bes­geschichte zwischen einer Transfrau und einem Cis-Mann erzählt, sondern auch das Wertekorsett im größten islamischen Staat der Welt thematisiert.

»Manchmal habe ich das Gefühl, dass mir nichts Eigenes gehört,« sinniert Haider (Ali Junejo) einmal. Der arglose Tagträumer ist arbeitslos und wohnt mit seiner großen Familie in bescheidenen Verhältnissen in Lahore. Er kümmert sich um die Töchter seines Bruders, den Haushalt und seinen Vater. Der Patriarch sitzt im Rollstuhl und lässt kaum ein gutes Haar an ihm. Wenn Haider und seine Frau Mumtaz (Rasti ­Farooq) ihm wenigstens endlich einen Enkel schenken würden! Doch auch die smarte Mumtaz hat eigentlich andere Pläne für ihr ­Leben, sie liebt ihre Arbeit in einem Kosmetiksalon und möchte nicht noch mehr in ihren Freiheiten eingeschränkt werden. Eines ­Tages ergattert Haider einen Job als Background-Tänzer in einer Burleske-Show der Transfrau Biba (Alina Khan). Mumtaz muss sich nun dem Diktat der Familie beugen und sich fortan um den Haushalt kümmern. Und Haider fängt schon bald eine Affäre mit Biba an.

Sadiq gelingt das Kunststück, keine seiner komplexen Figuren in diesem sehr gut besetzten Ensem­­blefilm zu verraten: Weder Haider, der seine Frau betrügt, noch Mum­taz, die viel mehr als seine Gattin ist, auch nicht Schwägerin Nucchi oder den autoritären Vater. Alle leiden auf ihre Weise an der Unter­drückung ihrer Sehnsüchte und ihres Begehrens. Auch der Hu­mor kommt nicht zu kurz: Wenn Haider auf seinem Moped eine über­lebens­große Pappfigur von Biba transportieren muss, ist das eine Szene, die im Gedächtnis bleibt.

Kein Wunder, dass dieser ­intelligente und berührende Film in Cannes den Jurypreis in der Sektion »Un Certain Regard« bekam sowie mit der »Queer Palm« ausgezeichnet wurde. Außerdem schaffte es »Joyland« in die Vorauswahl der diesjährigen Oscar­verleihungen. In Sadiqs Heimatland wurde der Film zunächst verboten, darf nun aber wieder gezeigt werden.

Foto (c) Filmperlen / Die Filmagentinen

“Joyland” – Stadtrevue Nov. 2023