Foto (c) Farbfilm Verleih
Plötzlich Superheldin
„Dieses Projekt kann mir den Nobelpreis einbringen – aber ihr kommt mit Kuchen“, schimpft die berühmte Genetikerin und Mutationsforscherin Maria (Victoria Mayer) mit ihrer Tochter Sue (Ruby M. Lichtenberg), die sie an ihrem Geburtstag im Labor überrascht. Nein, die junge Titelheldin aus „Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar“ hat es wirklich nicht leicht: Ihre Mutter ist eine ambitionierte Wissenschaftlerin, die sie kaum wahrnimmt, und in der Schule wird Sue von den Mitschülern und sogar vom Lehrpersonal ebenfalls meist übersehen. Zu allem Überfluss wird Sue von der tonangebenden Tussi-Clique der Schule auch noch gemobbt. Deshalb flüchtet sie sich in ihrer Freizeit am liebsten in die Comic-Welt ihrer Lieblingsheldin Supermoon. Durch eine Explosion im Labor ihrer Mutter ändert sich jedoch ihr Louis eben drastisch: Als Sue mit einem Wunderserum in Berührung kommt, kann sie plötzlich wirklich unsichtbar werden: eine Fähigkeit, die sie zunächst zutiefst erschreckt, mit der sie aber lernt, umzugehen.
Zum Glück findet Sue schon bald Freunde: Schulneuling Tobi (Lui Eckhardt), ein Junge, der nicht nur grandios BMX-Rad fahren kann, sondern auch ruhig mal stottern darf, wenn er aufgeregt ist, sowie die geniale Technik-Tüftlerin Kaya (Anna Shirin Habedank), die von allen App genannt wird.
Die Vorliebe von Regisseur und Drehbuchautor Markus Dietrich für Superheldenfilme ist unübersehbar: Schon der comicstripartige Vorspann von „Invisible Sue“ ist eine Reminiszenz an die vielen Marvel-Filme, später taucht ein holografischer Assistent namens Alfred auf – genauso heißt der Butler von Batman. Gesprochen wird er auch noch von Jürgen Thomann, der deutschen Synchronstimme des Alfred-Darstellers Michael Caine. Es sind diese kleinen Details, die den Kinderfilm auch für Erwachsene zum Vergnügen werden lassen.
Moderne Rollenvorbilder
Regisseur Dietrich, der bereits 2013 mit seinem Kinderfilm „Sputnik“ nicht nur sein Faible für das fantastische Genre, sondern auch für weibliche Hauptdarstellerinnen bewies, bleibt seiner Linie glücklicherweise treu – gerade im Kinderfilm mangelt es nicht nur an originellen Geschichten, sondern auch immer noch an weiblichen Hauptfiguren, die als moderne Vorbilder dienen können. Man wünscht sich, dass die Initiative „Der besondere Kinderfilm“, mit deren Hilfe „Invisible Sue“ das Licht der Kinoleinwand erblickt hat, noch mehr solcher originärer, emanzipatorischer Stoffe fördern möge.
Das sympathische Team, das von den Darstellern mit viel Spielfreude verkörpert wird, muss sich in dem rasant inszenierten Film schon bald beweisen: Sues Mutter ist nämlich entführt worden! Gemeinsam mit ihren Freunden versucht Sue, ihre Mutter zu befreien. Dabei holpert die Handlung zwar gelegentlich, und ein früher Hinweis auf die entscheidende Wendung der Geschichte ist zu offensichtlich, selbst für ein anvisiertes Zielpublikum ab zehn Jahre – dennoch erfreut man sich durchgehend an der aufregenden und genretreuen Kameraarbeit von Ralph Noack sowie dem liebevollen Schnitt von Sebastian Thümler. Auch die anspruchsvollen Spezialeffekte des Superheldenfilms, der mit dem für das Genre sehr bescheidenen Budget von vier Millionen Euro auskommen musste, können sich sehen lassen.
Zudem wurden aufregende Schauplätze, wie beispielsweise ein wunderbar futuristisch anmutendes Labor gefunden. Begleitet wird die flott inszenierte Geschichte, die immer dann am stärksten ist, wenn die schon allein durch die Pubertät mit neuen Kräften konfrontierten Kinder miteinander agieren, von einem aufregenden Score. So macht dieser äußerst liebevoll inszenierte Kinderfilm mit zeitgemäßen Rollenvorbildern Lust auf die am Ende angedeutete Fortsetzung.
Weser Kurier / Okt. 2019