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Ekstatische Wahrheiten

Filmemacher Werner Herzog macht sich in seinem neusten Essaybändchen allerlei Gedanken über „Die Zukunft der Wahrheit“…

„In meinem Arbeitsleben hat sich immer eine zentrale Frage gestellt, die der Wahrheit. Ich habe mich stets vehement, gegen den Irrglauben gestellt, dass Fakten mit Wahrheit identisch sind“; schreibt Werner Herzog, der in seinen Filmen die menschliche Existenz in den entlegensten Winkeln der Welt erforscht hat. Man kennt seine tiefste Überzeugung, dass man „nur durch Stilisierung, Erfindung, Poesie und Fantasie, eine tiefere Schicht von Wahrheit“ erkunden kann. Das hat er in einigen seiner Dokumentarfilme getan, wie er offenherzig zugibt und tut dies auch in den elf mäandernden und autobiografisch gefärbten Kapiteln seines Essaybändchens „Die Zukunft der Wahrheit“ auf das allerherzoglichste.

Munter hüpft er von den Möglichkeiten der KI, zu einem Schwein in Palermo, das jahrelang in einem Schacht feststeckte, dann rüber zur Fotografie. Er findet die Wahrheit in Gefühlen und sogar in japanischen Agenturen, bei denen man Freunde und Angehörige mieten kann. Auch historische Fake News von Ramses II. und den Gründervätern von Rom über den Tyrannen Nero bis hin zu den Potemkinschen Dörfern im Russland des 18. Jahrhunderts werden auf ihre verborgene „ekstatische Wahrheit“ hin untersucht.

Jungen Filmemachern, die ihn um Rat fragen, hämmert der 81-jährigeHerzog ein: „Lest, lest, lest, lest, lest. Lest.“ Dieses erratische Bändchen ist bestimmt kein schlechter Anfang.

In: Stadtrevue / Juni 2024

Foto (c) © Matthias Balk/dpa