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Der Bombast und das Biest
Es war einmal ein Regisseur, der wagte sich erneut an die Verfilmung eines über 270 Jahre alten Stoffes, der schon unzählige Male verfilmt worden war. Die Geschichte, die den Fantasy-affinen Christophe Gans („Der Pakt der Wölfe“) nicht mehr aus den Klauen ließ, hieß „Die Schöne und das Biest“ und hatte beispielsweise bereits 1946 Jean Cocteau zu seinem hochgepriesenen Filmklassiker inspiriert, sowie 1991 Walt Disney zu einem oscarprämierten Zeichentrickmusical.
Man könnte vermuten, Gans habe dem Stoff womöglich ganz neue, moderne Aspekte abringen wollen. Aber weit gefehlt: Eher lag dem Franzosen daran, den poetisch-lehrreichen Stoff mit modernsten CGI-Mitteln und einem für europäische Verhältnisse enormen Budget von 45 Millionen Euro weitestgehend so zu erzählen, wie es die Originalgeschichte vorsieht.
1810 muss ein verarmter Witwer (André Dussollier) mit seinen sechs Kindern aufs Land ziehen. Die Kinder, allen voran die beiden verzogenen älteren Töchter, hadern mit dem entbehrungsreichen Leben dort. Die jüngste hingegen, die schöne Belle (Léa Seydoux), blüht regelrecht auf. Als ihr Vater eines Tages wieder in die Stadt reist, um womöglich ein Teil seines Vermögens doch noch zurückzuerlangen, geben die Kinder ihm eine lange Einkaufsliste mit. Seine Lieblingstochter Belle wünscht sich jedoch vom Vater lediglich eine Rose, was ihm leider zum Verhängnis wird. Nachdem sich der gute Mann in einem Schneesturm verirrt hat, landet er in einem geheimnisvollen Schloss. Es ist Teil eines wunderschön anzuschauenden Reiches, das dem der Elben in „Der Herr der Ringe“ in kaum etwas nachsteht.
Doch oh weh: Während der arme Mann im menschenleeren Schloss die Wunschliste seiner Töchter abarbeitet, erscheint ein im filmgeschichtlichen Vergleich nicht besonders furchterregend anzuschauendes Biest, dem Vincent Cassel per Motion Capture Verfahren ein wenig Leben einzuhauchen versucht. Das Biest verlangt von dem erschrockenen Kaufmann „ein Leben für eine Rose“ und schenkt ihm nur noch einen einzigen Tag, um sich von seiner Familie zu verabschieden. Doch statt des Vaters schwingt sich Belle auf Vaters verzaubertes Pferd und bietet ihr Leben dem Biest an. Dies wittert seine Chance, von einem uralten Fluch erlöst zu werden. Hierbei spielt ein goldenes Reh, in das sich seine Ehefrau (bezaubernd: Yvonne Catterfeld) in Rückblenden hin und wieder verwandelt, eine nicht unbedeutende Rolle …
Die französisch-deutsche Koproduktion, die in Babelsberg gedreht wurde, versprüht durchaus einen besonderen Zauber, den Gans dann aber leider auch immer wieder durch inszenatorische Fehlentscheidungen zunichte macht. Einerseits versteht es der Regisseur, den Zuschauer mit opulenten Kinobildern zu überwältigen, andererseits fällt die dazugehörige Musik häufig zu bombastisch aus. Etliche Szenen schrammen deswegen nicht nur hart am Kitsch entlang. Wähnt man sich zu Beginn noch in einer magisch-düster wirkenden Verfilmung, die wohl eher für Jugendliche und Erwachsene geeignet ist, katapultieren den Zuschauer spätestens die flauschigen, an die „Gremlins“ erinnernden artigen Tierchen im Schloss aus der einzigartigen Stimmung wieder hinaus.
Über all das ließe sich hinwegsehen, gönnt Gans dem Publikum doch im Minutentakt atemberaubende Kostüme und Kulissen und zudem eine tolle Starbesetzung. Doch wirklich jammerschade ist, dass der erwachenden Liebe Belles zu dem Biest zu wenig Raum gegeben wird. Die zarten Bande, die sich zwischen den beiden entwickeln, sind verschüttet von allzu viel visuellem Bombast und einer Geschichte, die gegen Ende hin vor allem auf Spannung setzt statt auf die ihr innewohnende wunderbare Botschaft: dass die Liebe über sichtbare Schönheit siegt.