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Zwischen Absolution und Abgrund 

Das Psychogramm blickt in die Abgründe des Glaubens und der Volksseele im 18. Jahrhundert

Oberösterreich im Jahr 1750. Eine Frau nimmt ein schreiendes Baby an sich, trögt es zu einem gigantischen Wasserfall und wirft es in den Abgrund. Danach bekreuzigt sie sich und läuft schnurstracks durch den Nebel zu einer Burg, um den Mord zu gestehen. Was für ein verstörender filmischer Prolog!

Die katholische Kirche hat viel Unheil in der Welt angerichtet. Kaum bekannt ist jedoch, dass lebensmüde Gläubige im 18. Jahrhundert der ewigen Verdammnis durch Selbstmord entkommen wollten, indem sie jemanden umbrachten. Denn Mörder*in bekamen bei der Beichte vor der Hinrichtung noch die Absolution erteilt.

Im deutschsprachigen Raum gab es rund 400 nachgewiesene Fälle, meist Frauen, die unter schweren Depressionen litten – also nicht mehr in der Lage waren, dem titelgebenden Teufels Bad zu entfliehen. Dennoch wurde an dem christlichen Dogma nichts geändert.

Veronika Franz und Severin Fiala („The Lodge“) beschäftigen sich in ihrem historischen Psychodrama mit dieser grauenvollen Thematik. Die Geschichte beruht auf zeitgenössischen Gerichtsprotokollen. Aber auch das von Kameramann Martin Gschlacht großartig auf 35 mm eingefangene Setting legt nahe, dass das österreichische Regieduo gründlich recherchiert hat.

Bis an die Erträglichkeitsgrenze wird man in das historische Geschehen hineingesogen: Agnes, eine überaus empfindsame Katholikin heiratet zu Beginn den Bauern Wolf und zieht mit ihm in ein düsteres Steinhaus im Wald. Obwohl sie einen abgeschnittenen Finger unter ihr gemeinsames Kopfkissen legt – Aberglaube und Religion gingen damals eine unheilvolle Allianz ein – ist der schwule Wolf nicht in der Lage seinen ehelichen Pflichten nachzukommen. Dabei wünscht sich Agnes nichts sehnlicher als ein Kind und auch Wolfs hartherzige Mutter, die ständig vorbeikommt, erwartet das von ihr. Agnes gerät in eine Verzweiflungsspirale, ihre innigen Gebete werden nicht erhört, sie schluckt Rattengift und lässt sich erfolglos von übelsten Heilmethoden quälen.

Eine Entdeckung dieses Film ist Agnes Plaschg, die als Musikerin unter dem Namen Soap & Skin- bekannt ist. Sie verkörpert Agnes überzeugen und auch der düsteren Soundtrack stammt von ihr. In ihrem Gesicht spiegeln sich die Schrecken einer menschenfeindlichen Welt, die sie immer tiefer in die Depression treibt. Einziger Ausweg: Eine Gewalttat und die Hoffnung auf ein besseres Leben nach dem Tod.

„Des Teufels Bad“ ist ein zutiefst verstörender Horrorfilm, der ganz ohne übernatürliche Elemente auskommt. Die rohe Volksseele und ihre gnadenlosen Führer wussten schon immer ein realeres Grauen in die Welt zu bringen, als es die Fantasie vermag.

Foto (c) Ulrich Seidl Filmproduktion / Heimatfilm

In: Stadtrevue / Okt. 2024