Foto (c) 2017 Tobis
Brisante Geschichtsnachhilfestunde
Die britische Filmemacherin Gurinder Chadha entstammt einer Familie aus dem Punjab – jener ehemaligen Provinz der Kolonie British-Indien, die 1947 im Zuge der Unabhängigkeit brutal zwischen Indien und dem neu gegründeten Pakistan gerissen wurde. Ihre Mutter war eine von 14 Millionen Menschen, die nach der Teilung unter schmerzlichen Verlusten flüchten mussten. Mit ihrem Historiendrama „Der Stern von Indien“ gelingt der „Kick It Like Beckham“- Regisseurin ein vielschichtiger Film über den dramatischen Übergang Indiens von der Kolonialherrschaft in die Unabhängigkeit.
1947 zieht Lord Mountbatten (Hugh Bonneville) mit seiner beherzten Frau Edwina (Akte X-Star Gillian Anderson) und seiner smarten Tochter im Auftrag des britischen Königs in den opulenten Palast in Delhi, um das von der Krone besetzte Land rasch und reibungslos in die Unabhängigkeit zu entlassen. Doch nachdem die Kolonialherr*innen dreihundert Jahre nach der perfiden Maxime „Teile und herrsche!“ ihre Macht gesichert haben, sind Hindus und Muslim*innen tief gespalten. Ein einheitlicher indischer Staat scheint trotz der Bemühungen Ghandis und des indischen Nationalkongresses schwer möglich. Zudem zieht Churchill aus eiskaltem geopolitischen Kalkül im Hintergrund eifrig die Fäden für eine Teilung Indiens. Der redliche Mountbatten ist bloß seine unfreiwillige Marionette. Chadha präsentiert knapp zwei lehrreiche, fantastisch ausgestattete und fotografierte Geschichtsnachhilfestunden. Die geschickt eingeflochtene, berührend-bollywoodeske Liebesgeschichte zwischen dem jungen Hindu Jeet Kumar (Manish Dayal) und der Muslima Aalia Noor (Huma Qureshi) macht das schwere Schicksal Indiens auch auf der persönlichen Ebene spürbar.
In: Missy Magazine / Ausgabe 4/17