Foto: (c) 2015 Twentieth Century Fox
Schrebergarten im Weltraum
Man könnte Matt Damon stundenlang dabei zugucken, wie er Gemüse auf dem Mars anpflanzt. Ridley Scotts Science-Fiction-Drama »Der Marsianer« überzeugt vor allem durch das Charisma des Hauptdarstellers.
Die gute Nachricht zuerst: Dem 77jährigen Altmeister Ridley Scott ist mit seinem Science-Fiction-Überlebensdrama »Der Marsianer – Rettet Mark Watney« nach »Exodus«, seinem Desaster von einem Bibelepos, wieder ein über weite Strecken spannender und verständlich erzählter Film gelungen. Aber an seine Meisterwerke »Blade Runner« und »Alien« reicht er leider nicht heran.
»Wir schaffen das«, tönt Bundeskanzlerin Angela Merkel recht apodiktisch dieser Tage – nach einigen Anlaufschwierigkeiten in der Vergangenheit. Auch die Chefs der Nasa und ihre chinesischen Kollegen der CNSA schwenken in Scotts Film nach anfänglichem Zögern um und lassen ihre Anfangsbedenken fahren. Sie erklären ihre Bereitschaft, sich einer riskanten Rettungsmission anzuschließen. Die gewisse Nähe des Films zur aktuellen Flüchtlingskrise in Europa wurde von Hauptdarsteller Matt Damon auf der Pressekonferenz zur Weltpremiere in Toronto angesprochen, als er, wie der Guardian berichtete, sagte, dass man »in Zeiten der Not« so etwas wie diesen »wirklich optimistischen und hoffnungsvollen Film« machen müsse. Chiwetel Ejiofor, der den Nasa-Mitarbeiter Dr. Venkat Kapoor spielt, ergänzte: »Politiker repräsentieren nicht wirklich die menschlichen Instinkte. Da gibt es politische Entscheidungen, die nicht meine Meinung repräsentieren. Ich glaube noch immer an die gefühlsmäßige Botschaft dieses Films, sie stellt den besseren Teil unserer Natur dar.«
Dieser gute Mensch wird von dem Astronauten Mark Watney (Matt Damon) und seinen teamfähigen Kolleginnen und Kollegen verkörpert; angenehmerweise leitet in diesem Weltraumspektakel einmal eine kompetente Frau namens Commander Melissa Lewis (Jessica Chastain) die gefährliche Unternehmung. Bereits in Christopher Nolans packendem Science-Fiction-Film »Interstellar« durfte sie eine hochintelligente Frau verkörpern. Damon, der in Nolans Kultfilm einen planetar Gestrandeten spielte, darf dieses Mal allerdings weitaus sympathischer sein. Die Regie hat keine Zeit zu verlieren: Die Mission beginnt sofort mit beeindruckenden Kamerafahrten auf dem Mars, wo die Weltraumpioniere ihre Arbeit verrichten – gedreht wurden diese Szenen im Trockental Wadi Rum in Jordanien, wo auch einige Szenen aus »Lawrence of Arabia« spielen. Mit ein wenig Phantasie und gutem Willen kann man die roten Steinwüste dort durchaus auch als Mars-Oberfläche akzeptieren, zumal Kameramann Dariusz Wolski gute Arbeit geleistet hat. Die 3D-Effekte sind zwar nicht ganz so raffiniert wie bei dem Weltraumfilm »Gravity«, dafür werden sie aber effektiv eingesetzt und lenken durch ihre angenehme Zurückgenommenheit nicht vom Geschehen ab. Die Ares-3-Crew gerät auf ihrer Marsmission recht fix in einem Sandsturm von biblischem Ausmaß und muss die Nasa-Basisstation verlassen. Botaniker Mark wird dabei von einer herumschleudernden Antenne getroffen und fortgerissen. Commander Lewis, die glaubt, Watney sei ums Leben gekommen, beschließt schweren Herzens mit dem Rest ihrer Mannschaft den Mars zu verlassen, bevor es zu spät ist. Doch Watney ist nicht tot, er muss sich nur schnell etwas einfallen lassen, damit er auf dem menschenfeindlichen Planeten überlebt. Glücklicherweise ist er Botaniker.
Ausgedacht hat sich die Figur und deren Geschichte der junge Software-Entwickler Andy Weir, dessen Debütroman »Der Marsianer« eine moderne Erfolgsgeschichte ist. Von mehreren Verlagen abgelehnt, veröffentlichte Weir sein Skript kostenlos auf seiner Website. Es dauerte nicht lange, bis ein Verlag für einen sechsstelligen Betrag in US-Dollar die Rechte erwarb. Schon bald landete der Roman auf der Bestsellerliste der New York Times. Logisch, dass Weir, der nach eigenen Aussagen alles über Raumfahrt gelesen hat, was er in die Finger bekam, seinen nerdigen Protagonisten mit sarkastischen Humor, aber auch mit fundiertem Fachwissen ausgestattet hat. Drehbuchautor Drew Goddard (»World War Z«) beließ es dabei, brachte aber all die technischen Details auf ein für den aufmerksamen Zuschauer verständliches Niveau. So gelingt es Mark, nach einem befreienden »Fuck!« im Film all sein Durchhaltevermögen und Wissen zu aktivieren. Er beschließt, sich mit Hilfe der »Wissenschaft aus der Scheiße zu ziehen«. Die Nahrungsmittelvorräte reichen nur für einen Monat. Bis zu seiner Rettung würden aber vier Jahre vergehen, die Entfernung zwischen Erde und Mars bringt das mit sich. Also muss er einen Weg finden, auf dem Planeten, auf dem nichts wächst, aus einem Großteil der zur Verfügung stehenden Kartoffeln neue Pflanzen zu züchten. Erde muss fruchtbar gemacht und Wasser hergestellt werden. Ein Holzkreuz des mexikanischen Kollegen ist dabei hilfreich.
Die einzige Musik, die der »Marsianer« zur mentalen Unterstützung besitzt, ist ein Siebziger-Jahre-Best-Of von Commander Melissa, Musik, die Mark eigentlich furchtbar findet, die den Zuschauer aber dennoch recht kurzweilig durch den Film begleitet. Natürlich sind »Starman« von David Bowie, »Waterloo« von Abba und »I will survive« von Gloria Gaynor mit von der Marspartie. Watney, dieser gelungenen Mischung aus einem modernen Robinson Crusoe und dem pfiffigen MacGyver, gelingt erst einmal vieles, und es ist dank der schauspielerischen Leistung Matt Damons äußerst unterhaltsam, ihm dabei zuzuschauen. Das dramaturgische Problem, dass Mark keinen Dialogpartner hat, wird dadurch gelöst, dass er ein Videotagebuch führt, um seine eigenen Fortschritte zu dokumentieren, auch bei diesen ironischen Selbstgesprächen hört man ihm nur allzu gerne zu. Als es Mark jedoch gelingt, der Nasa zu signalisieren, dass er noch lebt, besinnt sich das Drehbuch auf bekannte Muster. Die Weltraumbehörde arbeitet fortan fieberhaft daran, ihn zu unterstützen und zurückzuholen. Mehr und mehr rückt die besorgte Weltöffentlichkeit zusammen – zu schön, um wahr zu sein: Sogar die bösen Chinesen, die mal wieder ein geheimes Raumfahrtprogramm gestartet haben, beschließen Watney zu helfen. Der genial-schlampige Astrophysiker Rick (Donald Glover), der ein wenig überzeichnet wirkt, tritt ebenfalls auf den Plan. Genialität und Teamwork werden ähnlich wie in dem weniger intelligenten Blockbuster »A World Beyond« in diesem Weltraumspektakel gefeiert. Doch letzten Endes müssen dann doch die Raumfahrerkollegen versuchen, mit einer nicht genehmigten, lebensgefährlichen und recht spannenden Aktion Watney zu retten …
Der Epilog des Films wirkt dagegen wieder wie ein langweiliger Werbefilm für neue Weltraumprogramme – Milliarden von US-Dollar, die man womöglich sinnvoller einsetzen könnte. Eigentlich hätte man Watney noch stundenlang dabei zuschauen können, wie er aus seinem Kot Dünger herstellt und Pflanzen anbaut. Das mutet realistisch an, damit kann man sich identifizieren und wegen des charismatischen Matt Damon ist das keine Minute langweilig. Der Rest ist leider dann doch wieder inhaltsleerer Genre-Bombast.